Sexuelle Belästigung: Vergleiche schützen Täter
In den USA haben Übergriffe auf weibliche Angestellte des konservativen TV-Senders «Fox News» kürzlich für Aufsehen gesorgt. Jahrzehntelang konnten Chefs Frauen belästigen. Sie konnten dies unbehelligt tun, weil in der Vergangenheit Opfer in aussergerichtlichen Vergleichen mit viel Geld zum Schweigen verpflichtet und die Täter nicht zur Verantwortung gezogen wurden. Es gab keine Prozesse und damit auch keine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Die Vergleiche schützten «Fox News» sowie die Täter. Rechtsprofessor Jon Bauer von der University of Connecticut verglich in der «New York Times» diese Praxis mit jener der Katholischen Kirche in Missbrauchsfällen.
Betroffene brechen Schweigen
Beispiel Gretchen Carlson: Die frühere Fox-Moderatorin ist diesen Sommer entlassen worden. Darauf hat sie Anzeige erstattet. Roger Ailes, Gründer und Geschäftsführer von «Fox News», habe sie jahrelang sexuell belästigt. Als er von ihr mehr verlangte, habe sie sich geweigert. Ailes habe sie darauf als Moderatorin abgesetzt, ihren Lohn gekürzt und sie schliesslich entlassen. Über 20 frühere Angestellte des Medienunternehmens «21st Century Fox», zu dem «Fox News» gehört, erhoben ebenfalls Belästigungs-Vorwürfe gegenüber Vorgesetzten. Darunter war Laurie Luhn, die während fast 20 Jahren eine Art Sexsklavin von Ailes war.
Chefs bleiben
Erst jetzt liess «21st Century Fox» die Vorwürfe durch externe Fachleute abklären. Gegen Ailes erhärteten sie sich. Er musste alle Funktionen niederlegen. Trotzdem soll der 76-Jährige eine Abfindung von 40 Millionen US-Dollar erhalten haben. Sein Abgang werde die betriebsinterne Kultur jedoch kaum ändern, schreibt die «Washington Post». Sein Stellvertreter sei befördert worden und alle anderen Chefs hätten ihre Posten behalten.
Vergleich nur mit Schweigepflicht
Catharine MacKinnon, Rechtsprofessorin an der University of Michigan und der Harvard Law School, sagte der «New York Times», dass Unternehmen Chefs selten wegen sexueller Belästigung zur Verantwortung ziehen. In Fällen sexueller Belästigung seien Vergleiche üblich, um Unternehmen vor negativen Schlagzeilen zu bewahren. Opfern ersparten Vergleiche ein jahrelanges Rechtsverfahren mit ungewissem Ausgang. Es wird erwartet, dass «21st Century Fox» auch mit Gretchen Carlson einen aussergerichtlichen Millionen-Vergleich abschliessen wird. Gloria Allred vereinbart als Anwältin nach eigenen Angaben täglich solche Verträge. Die Schweigepflicht sei eine der wichtigsten Voraussetzungen, damit ein Vergleich überhaupt zustande kommt, sagte sie der «New York Times»: «Das kann für unsere Klientinnen sehr schwierig sein. Denn sie wollen eine Entschädigung und diese dann wenn möglich auch öffentlich machen.»
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red. / 06. Sep 2016: Gretchen Carlson, ehemalige Nachrichten-Moderatorin von «Fox News», hat sich mit dem Medienunternehmen «21st Century Fox» aussergerichtlich auf einen Vergleich geeinigt. Sie erhält 20 Millionen Dollar Schadenersatz und «21st Century Fox» entschuldigte sich bei seiner früheren Mitarbeiterin.
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Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine