Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst ist rechtens
Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Er hatte den Fall einer muslimischen Sozialarbeiterin zu beurteilen, die bei ihrer Arbeit am Empfang eines städtischen Spitales ein Kopftuch getragen hat.
Neutralitätsgebot hat Vorrang
Das Spital verlängerte ihren zeitlich befristeten Arbeitsvertrag nicht, weil sie sich weigerte, das Kopftuch abzunehmen. Patientinnen und Patienten hätten sich beschwert, sagte die Spitalleitung. Darauf klagte die Frau durch alle Instanzen auf Wiedereinstellung. Doch auch der Conseil d’Etat, das höchste französische Verwaltungsgericht, wies ihre Klage ab. Das Kopftuch sei ein religiöses Symbol. Das staatliche Neutralitätsgebot habe Vorrang vor der Religionsfreiheit.
Laizismus in der Verfassung
Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte argumentierte die Frau, dass Frankreich damit ihr Grundrecht auf freie Religionsausübung verletzt habe. Doch das Gericht wies ihre Klage ab. Die Menschenrechtskonvention garantiere zwar die Religionsfreiheit. Doch im vorliegenden Fall seien die Rechte der beiden Parteien unvereinbar. Das Neutralitätsgebot des Staates sei in diesem Fall höher zu bewerten, da Frankreich in der Verfassung die strikte Trennung von Kirche und Staat vorschreibe. Aufgrund der französischen Verfassung und der Rechtsprechung habe der Klägerin klar sein müssen, welche Konsequenzen ihr drohten, wenn sie ihr Kopftuch nicht abnimmt. Der Staat habe sein legitimes Recht genutzt, die Verfassung durchzusetzen. Es sei nicht Aufgabe des Gerichtshofes, über den Laizismus zu urteilen. Dieser gilt in Frankreich für alle Staatsangestellten. Auch Schülerinnen und Lehrerinnen dürfen kein Kopftuch tragen.
Grosser Beurteilungsspielraum
Ob und welche Auswirkungen das Urteil auf andere Länder hat, ist unklar. Der Menschenrechtsgerichtshof lässt aufgrund des Urteils den Staaten einen grossen Beurteilungsspielraum.
In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen verfassungswidrig ist. Es verstosse gegen die Glaubensfreiheit. Ein Kopftuchverbot sei nur in Einzelfällen gerechtfertigt, wenn die staatliche Neutralität oder der Schulfriede gefährdet sei.
In der Schweiz hat das Höchstgericht erstmals über ein Kopftuchverbot für Schülerinnen entschieden. Das Verbot der Schule St. Margrethen verstosse gegen die verfassungsmässig garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit, heisst es im Urteil (Aktenzeichen: 2C_121/2015). Ein Kopftuchverbot sei nur gerechtfertigt, wenn öffentliche Interessen, Rechte des Kindes oder Dritter beeinträchtigt oder bedroht seien. Das treffe im vorliegenden Fall nicht zu. Die Schule St. Margrethen hatte argumentiert, dass das Kopftuch ein «Symbol für eine fundamentalistische Auslegung des Islam und damit ein Integrationshindernis» sei. Es dürfe nicht aus «falsch verstandener Toleranz» erlaubt werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine