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Brustimplantate: Diejenigen des Herstellers PIP rissen überdurchschnittlich häufig. © srf

Für minderwertige Brustimplantate kann Prüfstelle haften

fs /  Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes gilt als «richtungsweisend». Ob Betroffene Schmerzensgeld erhalten, hängt vom nationalen Recht ab.

Wer Medizinprodukte wie Brustimplantate, Herzkatheter und künstliche Gelenke prüft, kann gegenüber Patientinnen und Patienten haften, wenn er Hersteller nicht genügend überwacht. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall aus Deutschland entschieden. Ob eine Prüfstelle haftet, hängt von nationalem und nicht von europäischem Recht ab.

Billiges Industrie-Silikon
Geklagt hatte eine Frau aus Deutschland, der ein Chirurg Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP) eingesetzt hatte. PIP hatte jahrelang Brustimplantate aus billigem Industrie-Silikon verkauft. Die Gefahr, dass diese reissen, ist wesentlich höher als bei anderen Implantaten. Die Chemikalie sickert dann ins Körpergewebe, mit ungewissen gesundheitlichen Folgen. Obwohl es bereits 1996 erste Risiko-Hinweise für die PIP-Implantate gab, flog der Schwindel erst 2010 auf. Die Klägerin liess darauf die Implantate auf ärztliche Empfehlung entfernen. Der Hersteller PIP war mittlerweile Konkurs gegangen. Die Frau aus Deutschland verklagte deshalb die Prüfstelle in Deutschland, den TÜV Rheinland. Dieser hatte im bezahlten Auftrag von PIP die Implantate geprüft. Die Klägerin wirft dem TÜV unter anderem vor, nie unangekündigte Kontrollen beim Hersteller PIP gemacht zu haben.

Prüfstelle kann haften
Ihre Klage wurde von Gerichten in Deutschland abgewiesen. Der Bundesgerichtshof legte sie dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Rechtlich ging es dabei um die Interpretation der europäischen Medizinprodukterichtlinie. Der EuGH stellte fest, dass der TÜV zum Schutz der Endempfängerinnen der Brustimplantate tätig geworden ist. Ob der TÜV tatsächlich haftet, hänge von nationalem Recht ab. Grundsätzlich sei eine Prüfstelle wie der TÜV nicht verpflichtet, Medizinprodukte zu prüfen, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen. Doch wenn die Prüfstelle Hinweise habe, dass ein Medizinprodukt Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt, müsse sie «alle erforderlichen Massnahmen» ergreifen, um das Produkt zu prüfen.

«Klägerin könnte Recht bekommen»
Aufgrund dieses Urteils könnte die Klägerin Recht bekommen, heisst es in einem Kommentar von «Legal Tribune Online». Der Bundesgerichtshof müsse nun entscheiden, ob der TÜV Rheinland haftet. Das deutsche Höchstgericht müsse insbesondere prüfen, ob es Hinweise auf fehlerhafte Implantate gab und der TÜV diese hätte kennen müssen, und ob der TÜV Rheinland seine dann bestehenden Prüfungspflichten verletzt habe.

In Frankreich hat das Handelsgericht Toulon Anfang dieses Jahres den TÜV Rheinland zur Zahlung von 60 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt (64 Millionen Franken). Es sprach 20’000 Klägerinnen je 3000 Euro zu. Der TÜV hat Berufung gegen dieses französische Urteil eingelegt.

Weniger strenge Kriterien
Anders als bei Medikamenten braucht es in der EU für Medizinprodukte wie Brustimplantate, Herzkatheter und künstliche Gelenke keine Zulassung, sondern nur ein CE-Siegel. Dieses soll einzig eine einwandfreie Herstellung garantieren, sagt jedoch nichts aus über den Nutzen und die Risiken für Patientinnen. Für die Vergabe dieses CE-Siegels sind staatlich bewilligte, private oder öffentliche Prüfstellen zuständig wie der deutsche TÜV. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Arbeit der Prüfstellen ihres Landes regelmässig überwachen und kontrollieren. Stellen sie Mängel fest, müssen sie der Prüfstelle den Auftrag entziehen. Bezahlt werden die Prüfverfahren jedoch von den Herstellern. Diese können zudem in der ganzen EU selber auswählen, welche der Prüfstellen sie mit der Zertifizierung ihres Medizinproduktes beauftragen möchten. Kritiker fordern schon lange eine zentrale Behörde in der EU für die Zulassung von Medizinprodukten, analog zur Zulassung von Medikamenten.


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