Deshalb wird der Genderstern* nicht amtlich
Der Rat für deutsche Rechtschreibung gibt vorerst keine Empfehlung für geschlechtergerechte Sprache ab. Man wolle die gesellschaftliche «Erprobungsphase» verschiedener Schreibweisen nicht durch eine verfrühte Empfehlung beeinflussen, heisst es in der Antwort auf eine Anfrage des Bezirksparlaments Berlin-Mitte. Dem Rat gehören 41 Mitglieder aus sieben Ländern und Regionen an. Seine Aufgabe ist es, Empfehlungen für eine einheitliche Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu machen.
Mehrere Möglichkeiten
Für den Rat ist das Recht aller Menschen auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in der geschriebenen Sprache abbilden soll. Dafür gebe es verschiedene Möglichkeiten, die «in unterschiedlichem Umfang den Kriterien für geschlechteregerechte Sprache» entsprechen. Der Rat erwähnt das generisches Maskulinum und orthographische Varianten wie Schrägstrich (Student/-innen), Stern (Student*innen) und Unterstrich (Student_innen). Möglich seien auch Zusätze zum generischen Maskulinum wie «divers».
«Männer müssen Macht abgeben»
Traditionalistinnen und Traditionalisten lehnen sprachliche Neuerungen grundsätzlich ab und sprechen von «Genderwahn» oder «Gaga-Sprache». Das generische Maskulinum bezeichne kein biologisches Geschlecht und diskriminiere deshalb niemanden.
Reformerinnen und Reformer sagen, das generische Maskulinum zementiere die männliche Form als Norm und mache Frauen unsichtbar. Kathrin Kunkel-Razum, Mitglied des Rechtschreibrates und Leiterin der Duden-Redaktion, sagte gegenüber «Spiegel Online», dass es auch um Macht gehe, die Männer abgeben müssen. Deshalb werde die Debatte oft emotional geführt: «Wenn Dinge, die einem so selbstverständlich sind, ins Wanken geraten, ruft das fundamentale Verunsicherung hervor.»
Höchtsgerichte als Tempomacher
Der Rechtschreiberat erwartet, dass aktuelle Gerichtsentscheide in Deutschland und Österreich die Diskussion über geschlechtergerechte Sprache beschleunigen. In Deutschland hatte das Höchstgericht im Frühjahr entschieden, dass eine Sparkasse ihre Kundinnen weiterhin als «Kunden» ansprechen darf. In Österreich schreibt der Verfassungsgerichtshof neu vor, dass es für Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, im Personenstandsgesetz auch eine Bezeichnung geben muss.
Geschlechtergerechte Sprache ist nicht nur im deutschen Sprachraum Anlass für hitzige Debatten. In Frankreich sorgt ein Schulbuch mit geschlechtergerechten Sprachformen wie «agriculteur·rice·s» seit einem Jahr für Kontroversen. Die Académie française, Wächterin über die französische Sprache, bezeichnete die inklusive Sprache (écriture inclusive) als Todesgefahr für die französische Sprache.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine