Australien: Dekolleté-Offensive gegen Sexismus

bbm /  Australiens Premierministerin wurde oft sexistisch beleidigt. Wütende Frauen antworteten mit einer Flut von Auschnitt-Bildern.

Kolumnistin Grace Collier hatte im Radiosender ABC Gillard vorgeworfen, im Parlament zu viel Brust zu zeigen. Das sei «unprofessionell». Diese Bemerkung brachte bei der Bloggerin Jennifer Wilson das Fass zum Überlaufen. Unter dem Motto «Die Brüste schlagen zurück» veröffentlichte sie auf ihrem Blog ein Bild ihres Ausschnittes und rief über Twitter andere Frauen dazu auf, sich dem «Konvoi der Décolletés» (Convoy of Cleavage) anzuschliessen. Diesem Aufruf folgten Hunderte.
Kurz darauf wählte die Labor-Partei die unpopuläre Julia Gillard als Parteichefin ab und zwang sie damit zum Rücktritt als Premierministerin. Spätestens im Herbst sind in Australien Wahlen.
Grace Collier war nicht die Erste, die Julia Gillard während ihrer Amtszeit wegen ihres Aussehens beleidigte. Letzten Herbst geisselte die Premierministerin die Angriffe auf ihre Person in einer weltweit Aufsehen erregenden Rede vor dem Parlament. Sie warf dem konservativen Oppositionsführer Tony Abbott Sexismus und Frauenhass vor.

«Sexismus als politische Taktik»

Nach ihrem Rücktritt sagte Verkehrsminister Anthony Albanese, die ständigen sexistischen Attacken hätten der Premierministerin nachhaltig geschadet. Die australische Autorin Van Badham sprach im «Guardian» von Sexismus als politischer Taktik. Wenn Politiker sogar eine Premierministerin auf ihren Körper reduzieren, «was glaubt ihr, wie sie mit uns anderen Frauen umgehen?»
Julia Gillard, die unverheiratet und kinderlos ist, wurde 2007 Ministerin für Bildung, Arbeit und sozialen Ausgleich. Sie sei «bewusst unfruchtbar», hiess es damals. 2010 wurde sie erste Premierministerin in Australien. Seither wurde sie von der Opposition beleidigt, etwa als «Lügnerin», «Hexe», «Hure» und «Schlampe». Vieh-Magnat David Farley bezeichnete Julia Gillard als «nutzlose alte Kuh».

«Kleine Brüste und fette Schenkel»
Auf Twitter tauchte das Foto einer Speisekarte von einer Spenden-Gala eines liberalen Politikers auf. Darauf war ein Gericht nach der Regierungschefin benannt: Gebratene Wachtel mit «kleinen Brüsten und fetten Schenkeln». Das sei «grob sexistisch und beleidigend», sagte Gillard. In diesem Frühjahr fragte der in Australien populäre Radiomoderator Howard Sattler die Premierministerin, ob ihr Partner Tim Mathieson schwul sei, weil er von Beruf Coiffeur ist. Gillard bezeichnete die Frage als «absurd», doch der Moderator insistierte. Das Radio entschuldigte sich später. Die Fragen seien «respektlos und irrelevant für die öffentliche Diskussion» gewesen.

Auszeichnung für «Aufschrei»-Kampagne

Die Initiantinnen der Twitter-Kampagne «Aufschrei» in Deutschland sind mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet worden. Die Jury begründete die Auszeichnung damit, dass diese Kampagne eine breite gesellschaftliche Diskussion über Sexismus in Fahrt gebracht habe. Der Preis gehe an alle, die sich am Online-Diskurs beteiligt hatten. Unter dem Hashtag «Aufschrei» hatten viele Frauen ihre Erfahrungen mit alltäglichen sexuellen Belästigungen geschildert.
Der Grimme Online Award ist eine nicht dotierte Auszeichnung für publizistische Qualität im Internet. Sie wird seit 2001 vom Grimme-Institut vergeben, das auch den renommierten Fernsehpreis «Grimme-Preis» verleiht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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