«Am Arbeitsplatz verdrängen Frauen männliche Tugenden»
Die «New York Times» ist eine weltweit angesehene Tageszeitung. Der konservative Autor und Kolumnist Ross Douthat bot kürzlich in seinem Podcast zwei konservativen Autorinnen eine Bühne, um die Gleichstellung zu kritisieren.
«Weibliche Wokeness statt männlicher Tugenden»
Im Interview behauptet die konservative Kommentatorin und Autorin Helen Andrews, dass Frauen männliche Tugenden aus der Arbeitswelt verdrängt hätten. Nun dominiere weibliche Wokeness statt männlicher Tugenden wie Rationalität, Risikobereitschaft und Kampfgeist. Heutzutage würden männliche Untugenden bestraft, weibliche jedoch nicht.
Auf die Frage, was eine weibliche Untugend sei, sagt sie, dass Frauen zu viel klatschen und nicht mit Konflikten umgehen können. Diese Konfliktaversion sei am Arbeitsplatz toxisch. Sollte es beispielsweise einmal mehr Anwältinnen als Anwälte geben, könnte die weibliche Konfliktaversion sogar den Rechtsstaat gefährden, behauptet Andrews. Hinzu komme, dass das Antidiskriminierungsgesetz Personalverantwortliche zu stark einschränke. So dürfe ein Arbeitgeber Frauen mit Kinderwunsch beispielsweise nur Teilzeitstellen empfehlen, wenn er das auch bei Männern mit Kinderwunsch macht.
«New York Times» änderte heimlich Titel
Die «New York Times» transkribierte den Podcast und veröffentlichte den Text online unter dem Titel: «Haben Frauen den Arbeitsplatz ruiniert?» Nur wenige Stunden später ersetzte die Redaktion den Titel heimlich durch eine abstraktere und damit weniger provokative Version: «Hat der liberale Feminismus den Arbeitsplatz ruiniert?» Die Korrektur erfolgte ohne Transparenzhinweis. Dies sei feige, kommentierte die feministische Autorin Jessica Valenti auf ihrem Blog. «Wenn sie frauenfeindliches Gefasel veröffentlichen, sollen sie wenigstens den Mut haben, dazu zu stehen.» Denn nach der Lektüre des kritisierten Interviews sei klar, «dass der ursprüngliche Titel der richtige war».
«Debatte über Frauenrechte ist eine Bedrohung»
In einem Land, in dem ungewollt Schwangere verhaftet werden oder in Lebensgefahr geraten können und die Verhütungspille landesweit verboten werden soll, sei das keine theoretische Debatte, sondern eine reale Bedrohung für Frauenrechte, so Valenti. Diese werden in den USA auch in der Politik hinterfragt. In derselben Woche, in der die «New York Times» den Podcast veröffentlichte, stellten fundamentalistische Prediger zum wiederholten Mal öffentlich das Wahlrecht von Frauen in Frage. Anlass war die Wahl des Demokraten Zohran Mamdani zum Bürgermeister von New York. Der landesweit bekannte Autor und Pastor Dale Partridge postete, dass «fast jede legalisierte moralische Gräueltat der letzten hundert Jahre durch das Frauenwahlrecht möglich gemacht wurde».
Sexualtäter machen Karriere
Der Angriff der «New York Times» auf die Gleichstellung am Arbeitsplatz geschieht in einer Zeit, in der in den USA die geschlechtsspezifische Lohnkluft wieder grösser geworden ist und Sexualtäter Karriere machen können, schreibt der «Guardian». Verteidigungsminister Pete Hegseth und zwei der fünf Männer am Obersten US-Gericht wurden wegen sexueller Übergriffe angeklagt. Und der Präsident der USA ist ein verurteilter Sexualstraftäter, der mit dem verurteilten Pädophilen Jeffrey Epstein befreundet war. «Und die ‘New York Times’ erwartet, dass wir ernsthaft über die Behauptung nachdenken, dass der Arbeitsplatz jetzt Männern feindlich gesinnt ist», so der «Guardian».
Der patriarchale Trick
Es ist kein Zufall, dass Ross Douthat es Frauen überliess, gegen Frauenrechte zu Felde zu ziehen. Das Patriarchat versuche seit jeher, Frauen zu spalten, damit sie keine Veränderungen erreichen, schreibt die Soziologin Franziska Schutzbach in ihrem Grundsatzwerk über die «Revolution der Verbundenheit».

