Hebammen rechnen mit «Prozesswelle»
Der Bundestag (Parlament) hat kürzlich das «Versorgungsstärkungsgesetz» beschlossen. Dieses soll die Haftpflichtprämien von freiberuflichen Hebammen senken. Zurzeit muss ihre Haftpflichtversicherung nach einem Fehler in der Geburtshilfe nicht nur an die Eltern zahlen, sondern auch an die Kranken- und Pflegekasse, die das behinderte Kind lebenslang finanziert.
Grad der Fahrlässigkeit wird zum Kriterium
Das neue Gesetz beschränkt den Ersatzanspruch der Krankenkassen auf Schäden, welche Hebammen «vorsätzlich» oder «grobfahrlässig» herbeigeführt haben. Gerichte werden klären müssen, was dies genau heisst. Bernd Hendges von der Versicherungsmaklerfirma Securon sagte der «Tageszeitung», es werde deshalb lange dauern, bis ein Effekt auf die Haftpflichtprämien feststellbar sein werde. Eine allfällige Senkung werde vermutlich nicht sehr gross sein.
Steigende Haftpflichtprämien
Die Krankenkassen würden weiterhin alles daran setzen, möglichst hohe Schadenssummen von den Hebammen zu fordern, sagt Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes. Sie warnt vor einer «Prozesswelle» welche nun auf die Hebammen zurolle. Das neue Gesetz werde Hebammen deshalb nicht entlasten. Ab Juli müssen selbstständige Hebammen für ihre Haftpflichtversicherung erneut 23 Prozent mehr bezahlen. Damit steigt dieser Beitrag auf fast 6300 Euro (6500 Franken) im Jahr.
Ausstieg aus der Geburtshilfe
Freiberufliche Hebammen können sich die Geburtshilfe kaum noch leisten, da ihre Einnahmen im Vergleich zu Versicherungsprämien, die in den letzte Jahren rasant gestiegen sind, auf tiefem Niveau blieben. Immer mehr Hebammen übernehmen deshalb nur noch die Betreuung vor und nach der Geburt und verzichten auf ihr Kerngeschäft, die Geburtshilfe. Wegen der steigenden Kosten für die Versicherung geben laut dem «Spiegel» auch immer mehr freiberufliche Gynäkologinnen und Gynäkologen die Geburtshilfe auf. Diese konzentriere sich deshalb auf grosse Krankenhäuser.
Haftungsfonds für hohe Schadensummen
Der Deutsche Hebammenverband fordert seit Jahren, einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, der die Kosten ab einer bestimmten Obergrenze abdeckt. Norwegen hält mit einem solchen Fonds die Haftpflichtprämien für Hebammen tief.
Grossbritannien fördert Hausgeburten
In der EU und in der Schweiz sind Spitalgeburten die Regel. Eine Ausnahme ist Grossbritannien. Die britische Gesundheitsbehörde NHS empfiehlt seit kurzem Frauen mit geringem Risiko die Hausgeburt oder die Geburt in einem Geburtshaus. Für die Frauen sei dies weniger risikoreich als eine Geburt in einer Klinik.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine