Teilzeitarbeit macht Väter nicht unglücklich
«Das traditionelle Familienmodell macht glücklicher» hiess die Schlagzeile in der deutschen Tageszeitung «Welt». In der Schweiz titelten Zeitungen der Tamedia-Gruppe «Teilzeitarbeit macht Väter unglücklich» zu einer Studie des Soziologen Martin Schröder von der Universität Marburg. Er ist zum Schluss gekommen, dass in Deutschland und in der Schweiz Väter, die 40 und mehr Stunden pro Woche einer Erwerbsarbeit nachgehen, mit dem Leben zufriedener sind als Väter, die Teilzeit arbeiten.
Wichtiger Unterschied
Medien übernahmen den Befund von Martin Schröder unkritisch. Es blieb unbemerkt, dass Schröder nicht unterschied, ob die angeblich weniger zufriedenen Teilzeit-Väter freiwillig oder gegen ihren Willen Teilzeit erwerbstätig waren. Für die Schweiz hat Martin Schröder die Resultate der jahrelangen und repräsentativen Befragung des Schweizer «Haushalts-Panels» ausgewertet. Ursina Kuhn, verantwortliche Wissenschaftlerin für diese Umfragen, hat die Daten noch einmal ausgewertet und dabei zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Teilzeit unterschieden. Das Resultat hat sie auf «DeFacto» des «Instituts für Politikwissenschaft» der Universität Zürich veröffentlicht. Kuhn verglich die Angaben der Väter mit Kindern bis zum Alter von 15 Jahren in den Umfragejahren 2012 bis 2016. Das Resultat:«Teilzeit arbeitende Väter sind [mit ihrem Leben] nur unglücklicher als Vollzeit arbeitende, wenn sie die Teilzeitarbeit nicht freiwillig gewählt haben.» Väter mit Kindern im Alter bis zu 15 Jahren, die freiwillig nur 34 bis 38 Stunden pro Woche arbeiten, erklären sich sogar tendenziell leicht zufriedener als vergleichbare Väter, die 44 bis 48 Stunden erwerbstätig sind.
Viele Faktoren bestimmen Lebenszufriedenheit
In den regelmässigen Umfragen des «Haushalts-Panels» werden die Väter nicht gefragt, wie zufrieden sie im Leben wegen ihrer vollen, halben oder fehlenden Erwerbsarbeit sind. Beim vorliegenden Vergleich der allgemeinen Lebenszufriedenheit mit dem Arbeitspensum bleibt deshalb zu beachten, dass die Lebenszufriedenheit noch von etlichen andern Faktoren abhängt als von den Stunden der Erwerbsarbeit: von Bildungsstand, Gesundheit, Wohnsituation, Nationalität, Alter und, wie oben dargelegt, vor allem von der unfreiwilligen Teilzeitarbeit.
Angabe unabhängig vom Arbeitspensum
Für Deutschland wertete Schröder Daten des Sozioökonomischen Panels aus den Jahren 1984 bis 2015 aus. Auch in diesen regelmässigen Umfragen wurden die Väter nicht gefragt, wie zufrieden sie im Leben wegen ihrer vollen, halben oder fehlenden Erwerbsarbeit seien. Sie wurden lediglich gefragt, wie zufrieden sie allgemein mit ihrem Leben sind. Schröder verglich die Antworten mit dem Beschäftigungsgrad der Väter und kam so zu seinem «brisanten Befund», dass Teilzeit erwerbstätige Väter weniger glücklich sind.
Für Deutschland hat Schröder einige andere mögliche Ursachen für die höhere Zufriedenheit getestet und als Gründe ausgeschlossen: Vollzeitarbeit ist besser bezahlt; ein Wechsel zu Vollzeit ist oft mit einem beruflichen Aufstieg oder Wechsel in eine bessere Stelle verbunden; Vollzeit arbeitende Väter müssen sich weniger um die Hausarbeit kümmern.
Gründe für Teilzeitarbeit
Was Schröder nicht klar abgrenzen konnte, ist der wichtige Unterschied, ob die befragten Väter freiwillig oder unfreiwillig Teilzeit arbeiteten. Die Väter sind in der deutschen Umfrage schlicht nicht nach den Gründen für ihre Teilzeitarbeit gefragt worden, wie Schröder einräumt. Behelfsmässig konnte der Soziologieprofessor lediglich die erhobenen «Arbeitslosigkeit, Krankheit und [gesetzliche] Elternzeit» als Gründe für niedrige Arbeitsstunden herausfiltern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine