Tiefstlöhne für Näherinnen sogar in der Schweiz
Tiefstlöhne für Näherinnen kennt man aus Ländern wie Bangladesch oder Vietnam. Doch auch in der Schweiz zahlen Modelabels Löhne, die unter gesetzlichen oder branchenüblichen Mindestlöhnen liegen.
«Made in Switzerland» ist teuer
Schweizer Modelabels wie Akris, Bally oder Zimmerli verkaufen ihre Kleider zu hohen Preisen. Ein Damenmantel aus Kaschmir des Luxuslabels Akris kostet beispielsweise 6490 Franken. Für das «Sea Island Sleepshirt langarm» des Unterwäscheherstellers Zimmerli zahlen Käuferinnen 299 Franken. Zimmerli wirbt auf seiner Webseite mit «made in Switzerland». Auch das Modehaus Bally preist Schuhe mit «handmade in Switzerland» an. Der schwarze Lederschuh «Plume Mokassin» kostet 820 Franken.
Löhne unter dem Mindestlohn
Das Konsumentenmagazin «K-Tipp» (Bezahlschranke) hatte Einsicht in einen Arbeitsvertrag von Akris. Demnach erhält eine gelernte Schneiderin in St. Gallen einen Stundenlohn von 20 Franken brutto. Eine Angestellte im Tessin erhält sogar nur 17.50, was einem Monatslohn von knapp 3000 Franken entspricht. Dieser Stundenlohn liegt unter dem kantonalen Mindestlohn von 19.75. Trotzdem haben die Gewerkschaften Unia und OCST diesem Tiefstlohn in einem Kollektivvertrag mit dem Verband «Ticinomoda» zugestimmt. Unia Tessin rechtfertigte sich gegenüber dem «K-Tipp» mit dem Argument, dass es im Kollektivvertrag einen 13. Monatslohn gibt, was beim Mindestlohn nicht der Fall sei. Laut Akris handelt es sich bei den tiefen Löhnen um «branchenübliche, minimale» Anfangslöhne für Schneiderinnen und Näherinnen. Erfahrene Mitarbeiterinnen würden höhere Löhne erhalten.
1000 Franken Monatslohn
Im Tessin arbeiten viele Grenzgängerinnen. Davon profitiert auch Zimmerli. Der Unterwäschehersteller zahlt laut «K-Tipp» selbst Näherinnen mit 20 und mehr Jahren Erfahrung nur einen Stundenlohn von 17.50.
Noch schlechter gestellt sind die Angestellten von Bally im Tessin. Vor zwei Jahren zahlte das Label Schneiderinnen einen Stundenlohn von gut 15 Franken. Wie viel sie heute verdienen, gibt Bally nicht bekannt. Laut dem Tessiner Konsumentenmagazin «L’Inchiesta» stellt Bally Frauen als Praktikantinnen für einen Monatslohn von 1500 Franken befristet ein.
Das Zürcher Label Kazu Huggler stelle ausgebildete Kleidungsgestalterinnen als Praktikantinnen ein und zahle für ein Vollpensum 1000 Franken pro Monat, schreibt der «K-Tipp».
Löhne kaum existenzsichernd
Der Branchenverband Swissmode empfiehlt laut dem Konsumentenmagazin für eine ausgebildete Schneiderin im ersten Berufsjahr einen Monatslohn von 4141 Franken. Ab dem fünften Berufsjahr 5018.40. Von solchen Löhnen können die Angestellten offensichtlich nur träumen. Modelabels zahlen nicht nur im Ausland, sondern auch in der Schweiz Löhne, die kaum zum Leben reichen.