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Frauen verdienen weniger als Männer. © bmfsfj

«Frauen wählen nicht tiefere Löhne»

fs /  Frauen seien selber schuld, dass sie weniger verdienen: Ein renommierter Ökonom widerlegt dieses gängige Argument.

In Deutschland verdienen Frauen durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Über ein ganzes Arbeitsleben hinweg liegt der Gender-Pay-Gap sogar bei 50 Prozent, hat das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut in einer aktuellen Studie berechnet, berichtet die «Süddeutsche Zeitung». Mit dem «Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen» will die Bundesregierung Gegensteuer geben. Es schafft in Betrieben ab 200 Mitarbeitenden eine Lohntransparenz. Beschäftigte können Durchschnittslöhne des anderen Geschlechtes erfragen und dann allenfalls Klage erheben.

Keine freie Wahl
Das Gesetz ist heftig umstritten. Es sei wirtschaftlich schädlich, sagen Arbeitgebende. Es gebe nur eine kleine oder keine Diskriminierung von Frauen. Diese seien meist selber schuld, dass sie weniger verdienen. Frauen arbeiteten häufiger Teilzeit, würden die falschen Berufe wählen und seien weniger an einer Karriere interessiert als Männer. Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor an der Humboldt-Universität Berlin, schreibt in der «Zeit», diese drei Faktoren erklärten zwar einen grossen Teil des Gender-Pay-Gaps. Mit der freien Wahl von Frauen hätten sie aber oft wenig zu tun.

Tiefere Löhne bei steigendem Frauenanteil
Laut Fratzscher arbeiten Frauen tatsächlich häufiger in Teilzeit. Aus Umfragen gehe jedoch hervor, dass diese Frauen durchschnittlich gerne mehr Stunden pro Woche erwerbstätig sein möchten. Sie könnten dies jedoch häufig nicht, weil es an geeigneten Betreuungseinrichtungen für ihre Kinder mangelt.

Es treffe auch zu, dass Frauen häufiger in Berufen arbeiten, die schlecht bezahlt sind, etwa als Bürokauffrau oder im Einzelhandel. Doch aus einer Reihe von Studien gehe hervor, dass in Berufen mit steigendem Frauenanteil die Löhne fallen oder weniger stark steigen. Fratzscher: «Frauen wählen eine schlechtere Bezahlung nicht, sondern sie bekommen sie.»

Als «besonders irrsinnig» bezeichnet Fratzscher das Argument, dass Frauen sich seltener für Führungspositionen entscheiden als Männer. Viele Studien würden belegen, dass die Hürden für gleich qualifizierte Frauen immer noch höher seien.

«Gender-Pay-Gap nicht vernachlässigbar»
Die Gegner des Gesetzes argumentieren, dass der Lohnunterschied von 21 Prozent auf 7 Prozent schrumpft, wenn man nur Arbeitnehmende im gleichen Beruf, mit gleichem Pensum und ähnlicher Qualifikation vergleicht. Für Fratzscher ist auch der kleinere Gender-Pay-Gap nicht vernachlässigbar. In Deutschland betrage das durchschnittliche Jahreseinkommen in einem Vollzeitjob 41’000 Euro. Ein Lohnunterschied von sieben Prozent heisse, dass eine Frau im Durchschnitt 2’900 Euro im Jahr weniger verdiene (3100 Franken). Fratzscher: «Sind 2’900 Euro wirklich unbedeutend? Kaum jemand würde diese Frage bejahen.»


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