Tieferer Lohn für gleiche Arbeit ist rechtens
Die Lohnklage einer Schreinermeisterin aus Deutschland hat kürzlich in letzter Instanz der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen, berichtet der Bayerische Rundfunk. Der Klägerin sei «kein erheblicher Nachteil entstanden».
Tieferer Lohn für besser qualifizierte Frau
Die Klägerin Edeltraud Walla ist Werkstattleiterin für analogen Modellbau an der Universität Stuttgart. Ihr Kollege leitet die Werkstatt für digitalen Modellbau. Per Zufall erfuhr Walla, dass ihr Kollege im Monat rund 1200 Euro mehr verdient als sie (1300 Franken). Er ist Facharbeiter und damit sogar schlechter qualifiziert als sie, die einen Meisterbrief hat. Walla reichte mit Unterstützung der Gewerkschaft ver.di Klage ein und forderte, ihren Lohn zu erhöhen.
Vorrang für Besitzstandswahrung
Die Universität Stuttgart bestreitet nicht, dass beide gleichwertige Tätigkeiten ausüben und Walla deutlich schlechter dafür bezahlt wird. Sie argumentiert, der Lohnunterschied habe nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit der früheren, besser bezahlten Tätigkeit des Mannes. Auf diese Vergütung habe er weiterhin Anspruch. Grund für den Lohnunterschied sei das Recht auf Besitzstandswahrung und nicht das Geschlecht.
Keine Diskriminierung
Das Arbeitsgericht Stuttgart (Aktenzeichen 22 Ca 6784/12) und das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen 1 Sa 7/13) folgen dieser Argumentation. Es handle sich um einen Einzelfall. Grund für den Lohnunterschied sei die frühere Tätigkeit des Mannes und nicht das Geschlecht. Revision liess das Landesarbeitsgericht nicht zu. Die Beschwerde dagegen lehnte das Bundesarbeitsgericht ab (Aktenzeichen 5 AZN 1308/13). Eine Klage beim Bundesverfassungsgericht wies dieses ohne Begründung im letzten Sommer zurück. Mit dem Entscheid des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist die Klage definitiv gescheitert.
«Anderes politisches Signal gewünscht»
Edeltraud Walla ist enttäuscht: «Ich hätte mir ein anderes politisches Signal gewünscht. Gibt es doch immer noch eine massive Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in Deutschland beim Arbeitslohn.» ver.di schrieb vor zwei Jahren in einem Kommentar: «Hier wird einem Mann eine einfachere Arbeit zugewiesen, für die er immer noch dasselbe Geld bekommt wie für seine anspruchsvollere Tätigkeit zuvor. Einer Frau, zumal höher qualifiziert, wird eine gleichwertige Bezahlung verweigert. Wenn das keine Diskriminierung ist, dann werden wir auch in 100 Jahren noch eine Gehaltslücke von 23 Prozent zwischen Frauen und Männern haben.»
«Nutzloses Gesetz»
In Deutschland soll es in Betrieben ab 200 Mitarbeitenden eine Lohntransparenz geben. Beschäftigte können Durchschnittslöhne des anderen Geschlechtes erfragen und dann allenfalls Klage erheben. Edeltraud Walla hält das von der Bundesregierung vorgeschlagene Gesetz für unnötig und nutzlos: «Es reicht nicht, zu wissen, dass es einen Unterschied in der Bezahlung gibt. Ausserdem haben wir mit Artikel 3 des Grundgesetzes bereits ein Gesetz, das die Gleichberechtigung von Mann und Frau fordert.» Nötig seien mehr Frauen, die sich «endlich gegen Ungleichheit wehren» und Menschen, die das geltende Recht durchsetzen, sagte sie der «Stuttgarter Zeitung».
Arbeitgeber müssen Lohngleichheit beweisen
Island verschärft das geltende Recht und nimmt die Arbeitgeber stärker in die Pflicht. Alle privaten und staatlichen Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten werden gesetzlich verpflichtet zu beweisen, dass sie gleiche Löhne für gleiche und gleichwertige Arbeit bezahlen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine