Näherin Prasit Koedphithak ist enttäuscht, dass sich Modehändler nicht für sie einsetzen. © srf

Modeunternehmen lassen Näherinnen im Stich

fs /  Ein Unternehmer stiehlt thailändischen Näherinnen ihren Lohn. Seinen Kunden, darunter Zalando und Otto, scheint dies egal zu sein.

Über 900 Näherinnen der Firma «Body Fashion Thailand» warten seit mehr als fünf Jahren auf Löhne, Sozialleistungen, Boni und Abfindungen in der Höhe von über sechs Millionen Euro. Hilfsorganisationen sprechen von einem der grössten «Lohndiebstähle» in der Textilindustrie.

Urteile zugunsten der Näherinnen
Die zwei Fabriken von «Body Fashion Thailand» wurden während der Corona-Pandemie geschlossen. Die Angestellten erhielten eine fristlose Kündigung. Trotz mehrerer Gerichtsurteile zugunsten der Näherinnen im Jahr 2022 erhielten die Betroffenen bis im August dieses Jahres die ihnen zustehenden Zahlungen nicht. Näherin Prasit Koedphithak sagte dem «Worker Rights Consortium (WRC)», ihr stehe inklusive Zinsen eine Summe von fast 19’000 Euro zu. Sie habe keine feste Stelle mehr und habe sich verschulden müssen. 

Fabrikbesitzer und Käufer
«Body Fashion Thailand» gehört dem malaysischen Investor Robert Ng. Er ist Besitzer eines weltweiten Netzwerks von Marken und Einzelhandelsunternehmen. Unter anderem ist er Eigentümer der Huber Holding mit Sitz in Österreich, zu der neben der Marke Huber Unterwäsche-Marken wie Hanro, Sinky und HOM gehören. In seiner Rolle als Fabrikbesitzer und Käufer der Waren, ist er laut der «Clean Clothes Campaign» für den Lohndiebstahl verantwortlich. Er sei nicht bankrott und weiterhin in der Branche tätig. Die Hilfsorganisation kritisiert, dass der thailändische Staat Ng seit Jahren nicht zur Rechenschaft zieht. 

Modemarken und Einzelhändler bleiben passiv
Das auf Arbeitnehmerrechte spezialisierte «Worker Rights Consortium (WRC)» sieht auch Modemarken und Einzelhändler in der Pflicht. Ng habe die finanziellen Mittel, um die ausstehenden Zahlungen zu leisten. Die US-Organisation kritisiert, dass trotz des Lohndiebstahls Einzelhandelspartner weltweit weiterhin mit Ng zusammenarbeiten. Im deutschsprachigen Raum gehören dazu unter anderen Otto, Kastner&Öhler, Peek&Cloppenburg, Zalando, Walmart und Amazon. Wenn Kunden ihre Geschäftsbeziehungen mit Robert Ng davon abhängig machen würden, dass er den «Body Fashion»-Näherinnen ihre ausstehenden Löhne zahlt, würde er es fast sicher tun, schreibt WRC. «Sieben Millionen Dollar sind vergleichsweise ein kleiner Preis, um den dauerhaften Umsatzverlust aus diesen Geschäftsbeziehungen zu vermeiden. 
Nur der Verzicht dieser Marken und Einzelhändler, Ng zur Rechenschaft zu ziehen, ermöglicht es ihm, sich selbst zu bereichern, das Gesetz zu missachten und 900 Familien ohne Kosten für sich selbst oder seine Unternehmen in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben.» Näherin Prasit Koedphithak äusserte sich enttäuscht darüber, dass sich die Kunden von «Body Fashion Thailand» nicht für sie einsetzen. Schliesslich habe sie mit ihrer Arbeit während vieler Jahre auch zu deren Profiten beigetragen.

«Unglaubliche moralische Gleichgültigkeit»
Kunden von Ng äusserten sich auf Anfragen von Hilfsorganisationen entweder gar nicht oder erklärten, für die Verletzung der Rechte der Arbeiterinnen nicht verantwortlich zu sein. Für Scott Nova, Geschäftsführer des WRC, ist dies scheinheilig. In einer Branche, in der alle namhaften Marken und Einzelhändler angeben, sich um die Rechte der Angestellten und die Rechtsstaatlichkeit zu kümmern, sollte ein Lohnräuber wie Ng geächtet werden. Stattdessen sei er ein gefragter Geschäftspartner. «Die moralische Gleichgültigkeit dieser Unternehmen ist unglaublich.» Hilfsorganisationen gingen Ende 2023 erstmals an die Öffentlichkeit und sprachen bereits damals von «gigantischem Lohndiebstahl». Bis heute ist dieser noch grösser geworden.

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