Deutschland führt «drittes Geschlecht» ein
In Deutschland ging das Gesetz bisher davon aus, dass es Frauen und Männer gibt. Neu können Eltern in der Geburtsurkunde ihres Kindes das Geschlecht offen lassen, wenn dieses biologisch nicht eindeutig ist. Das intersexuelle Kind kann sich später für ein Geschlecht entscheiden. Die «Süddeutsche Zeitung» schreibt von einer «rechtlichen Revolution», die «fundamentale gesellschaftspolitische Bedeutung» habe. Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU) hingegen wiegelt ab: Die Neuregelung sei ausdrücklich keine Einführung eines dritten Geschlechts. Das Gesetz löse die Geschlechtergrenzen nicht auf. «Die Einteilung in zwei Geschlechter bleibt Grundlage unserer Rechtsordnung.»
Anlass für die Änderung des Personenstandsrechtes war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses hatte verlangt, dass der Gesetzgeber das «empfundene und gelebte» Geschlecht als Ausdruck des Persönlichkeitsrechts betrachtet. Das müsse auch für das nicht eindeutige Geschlecht gelten. Intersexuelle sind Menschen, die körperlich sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsmerkmale haben. Sie sind von Transsexuellen zu unterscheiden, die körperlich eindeutig Frauen oder Männer sind, sich aber als Angehörige des anderen Geschlechts fühlen.
Viele Gesetze müssen angepasst werden
Das neue Recht betrifft Intersexuelle. Ihre Eltern mussten sich bisher nach der Geburt für das weibliche oder männliche Geschlecht entscheiden. Oft liessen sie ihre Kinder operieren. Neu können sie das Geschlecht offen lassen. Damit gibt es ein drittes Geschlecht, auch wenn der Gesetzgeber dieses nicht so benennen will. Die Auswirkungen auf andere Gesetze werden laut der Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) nicht unerheblich sein, da in vielen von «Frauen» und «Männern» die Rede ist. Die Fachzeitschrift geht davon aus, dass der Gesetzgeber oder das Bundesverfassungsgericht viele offene Fragen werden klären müssen. Die scheidende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach denn auch in der «Süddeutschen Zeitung von einer «umfassenden Reform», die nötig sei. Als erstes soll im Pass neben f (weiblich), m (männlich) auch ein x (unbestimmt) zugelassen werden.
Geschlechtsoperationen an Kindern vermeiden
Laut Lucie Veith, Vorsitzende des Verbands «Intersexuelle Menschen e.V», gibt es verbandsintern keine einheitliche Meinung zum dritten Geschlecht. Ein Teil der Mitglieder verlange die Anerkennung als drittes Geschlecht. Einer anderen Gruppe seien Formalien egal und eine dritte Gruppe wolle den Entscheid den Betroffenen überlassen: Die Eltern sollen zunächst ein soziales Geschlecht auswählen. Später sollen die Intersexuellen diesen Geschlechtseintrag unbürokratisch ändern können. Einig sind sich die verschiedenen Strömungen laut Lucie Veith in der Forderung, dass Kinder nicht mehr operiert werden sollen, um sie einem Geschlecht zuordnen zu können.
In der Schweiz hat die nationale Ethikkommission Humanmedizin letztes Jahr die Einführung eines dritten Geschlechts in amtlichen Dokumenten abgelehnt. Hingegen empfiehlt das Beratungsgremium der Regierung, dass Kleinkinder in Zukunft nicht mehr operiert werden sollen, um sie auf ein Geschlecht festlegen zu können. Intersexuelle sollen das Geschlecht, das bei der Geburt in die Geburtsurkunde eingetragene worden ist, später unbürokratisch wechseln können.
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Keine