Kleiderregeln für Frauen sind diskriminierend
Berlin erlaubt es nun auch Frauen, in öffentlichen Schwimmbädern ohne Bikini-Oberteil zu schwimmen. Rettungsschwimmerin Lotte Mies ist der Grund für die Aktualisierung der Bäderordnung. Als sie Ende letzten Jahres in einem Hallenbad oben ohne schwamm, kam die Polizei und forderte sie auf, ein Oberteil zu tragen. Mies beschwerte sich bei der Ombudsstelle der Landesstelle für Gleichbehandlung, die Kleiderregel schränke ihre persönliche Freiheit ein. Die Ombudsstelle gab ihr recht. Darauf hat die zuständige Behörde die Bäderordnung präzisiert. Seither gilt freie Kleiderwahl für alle. Nur die «primären Geschlechtsteile» müssen bedeckt sein.
Selbstbestimmung über den eigenen Körper
Die medialen Reaktionen waren entlarvend. Die BBC stellte die Meldung falscherweise in Zusammenhang mit der deutschen Freikörperkultur (FKK). Und die «Neue Zürcher Zeitung» (NZZ) informierte wie zahlreiche andere Medien in der unpolitischen Rubrik «Panorama». Dabei geht es um das Grundrecht der Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Dieses haben Frauen auch im Westen bis heute vielerorts nicht vollständig. So hat das Schweizer Parlament es kürzlich abgelehnt, Frauen im Fall einer ungewollten Schwangerschaft nicht mehr zu bevormunden. Damit bleibt der Schwangerschaftsabbruch eine Straftat. Straffrei ist er nur innerhalb einer bestimmten Frist und nach einer Beratung durch die Ärztin oder den Arzt.
Männer statt Frauen aus Bad verweisen
Auch Kleiderregeln für Frauen schränken das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ein. Frauen müssen ihr Verhalten anpassen, nicht potentielle Starrer, Filmer und Belästiger. Kleiderregeln für Frauen seien deshalb diskriminierend, sagen Aktivistinnen der Initiative «Gleiche Brust für alle». Während Männer sich in der Öffentlichkeit fast überall mit nacktem Oberkörper zeigen dürfen, sollen Frauen ihre Brüste bedecken. Schon Kinder lernen, dass Mädchen ihren Oberkörper bedecken sollen. Damit beginnt die Sexualisierung und Objektivierung von Frauenkörpern. Doch ein nackter Oberkörper errege kein öffentliches Ärgernis und belästige niemanden, sagen Aktivistinnen. Problematisch sei nicht das Verhalten der Frauen, sondern dasjenige von Männern, die gaffen, filmen und belästigen. Diese müsse man aus einem Bad weisen und nicht Frauen, die oben ohne schwimmen wollen.
Patriarchale Strukturen
Die Sexualisierung des Frauenkörpers gilt als der eigentliche Grund dafür, dass Frauen ihn verhüllen sollen. Extremes Beispiel sind muslimische Länder wie der Iran, die Kleiderregeln für Frauen damit begründen, dass beispielsweise Frauenhaare Männer erregen. Die Verantwortung für das Verhalten von Männern liegt damit bei den Frauen. Ähnlich argumentieren Gegnerinnen und Gegner des Badens oben ohne, wenn sie Frauen davor warnen, zu viel Haut zu zeigen. «Man nennt das Opfer-Täter-Umkehr», schrieb die NZZ. Keine Frau müsse in Berlin oben ohne baden, aber wer das möchte, dürfe das jetzt. «Dass der Aufschrei jetzt, wo es um das freiwillige Ablegen des Bikinioberteils geht, grösser ist als beim Erlauben des Burkinis, sagt viel aus.» Patriarchale Strukturen seien der Grund dafür, dass auch der aufgeklärte Westen immer noch ein Problem damit habe, «Frauen die vollständige Entscheidungsgewalt über ihren Körper zu überlassen».
Freigabe der weiblichen Brustwarze
Social Media wie Facebook und Instagram zensieren bis heute nackte Frauenbrüste. Dazu gehören auch Bilder von stillenden Müttern. Bereits vor über zehn Jahren hatten US-Aktivistinnen gegen diese frauenfeindliche Praxis protestiert. Doch erst Anfang dieses Jahres hat ein Beratungsgremium den Mutterkonzern Meta aufgefordert, die Richtlinien für Nacktheit zu ändern, «damit sie klaren Kriterien unterliegen, die internationale Menschenrechtsstandards respektieren». Das Gremium argumentierte allerdings nicht mit dem Recht von Frauen auf Selbstbestimmung, sondern damit, dass die Richtlinien für intersexuelle, nicht-binäre und Transgender-Personen unklar seien.