Ein Fussballspiel öffnet Männern die Augen
Frauen spielen nach denselben Regeln Fussball wie Männer. Diese Regeln basieren auf den Durchschnittswerten männlicher Körper. Die biologischen Voraussetzungen sind jedoch unterschiedlich. Männer sind im Durchschnitt grösser und haben mehr Muskelmasse, was sie bei Schnelligkeit, Sprungkraft und Ausdauer bevorteilt. Fussball ist für Frauen deshalb körperlich deutlich anspruchsvoller als für Männer. «Leute denken, dass Frauen schlechter Fussball spielen als Männer», sagt der norwegische Bewegungsforscher Arve Vorland Pedersen. Doch die meisten Unterschiede seien durch biologische Faktoren erklärbar.
Pedersen und die Soziologin Ragna Stalsberg von der Universität Trondheim haben berechnet, wie die Regeln für Männer geändert werden müssten, um ihre biologischen Vorteile auszugleichen.
- Spielfeld: Das Spielfeld für Männer müsste 132 x 84 Meter gross sein, statt der heute vorgeschriebenen 105 x 68 Meter. Ein Elfmeter müsste aus 14 Metern Distanz geschossen werden.
- Ball: Der Ball müsste in Grösse und Gewicht einem Basketball entsprechen. Er wäre also grösser und schwerer als heute.
- Tor: Das Tor für Männer müsste 8,40 Meter breit und 2,72 Meter hoch sein. Heute ist das Tor für beide Geschlechter 7,32 Meter breit und 2,44 Meter hoch. Für Frauen ist es deutlich schwieriger, Bälle abzuwehren, da ihre Körpergrösse und Sprungkraft kleiner sind.
- Freistoss-Mauer: Die Mauer der Männer müsste 10 Meter statt wie heute 9,15 Meter vom Ball entfernt stehen. Eine Mauer mit gleicher Anzahl Spielerinnen verdeckt beim gleichen Abstand von 9,15 Meter zum Ball das Tor weniger, weil die Spielerinnen durchschnittlich schmaler und kleiner sind. Da zudem Torhüterinnen kleiner sind und weniger hoch springen können als Torhüter, ist die Wahrscheinlichkeit eines Tores durch einen Freistoss in Tornähe im Frauenfussball höher.
- Spielzeit: Wenn man die biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen berücksichtigt, müssten Männer 2 x 56 Minuten spielen statt 2 x 45 Minuten.
Das Experiment
Ein Experiment des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens (SRF) zeigt, was es konkret heisst, wenn Männer unter denselben körperlichen Anforderungen Fussball spielen müssen wie Frauen heute. Die Männer-Nachwuchsteams U19 des FC Thun und U17 des FC Winterthur spielten deshalb auf einem grösseren Spielfeld, mit grösseren Toren, einem grösseren und schwereren Ball und einer längeren Spielzeit.
Erschöpfte Spieler wollten keine Verlängerung
Für alle Beteiligten machte das Experiment die Leistung von Fussballerinnen körperlich erfahrbar. Für die jungen Männer war insbesondere der grössere, schwerere Ball ungewohnt. Wegen des grösseren Spielfeldes und der entsprechend längeren Laufwege und Distanzen untereinander verloren die Spieler Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. Nach der regulären Spielzeit von 112 Minuten (2 x 56 Minuten) lautete der Spielstand 3:3. Auf eine Verlängerung, die ebenfalls länger als die heutigen 2 x 15 Minuten sein müsste, verzichteten die erschöpften Spieler. Das Penaltyschiessen gewann Winterthur.
«Respekt für den Frauenfussball»
Der erfahrene SRF-Regisseur Beni Giger verfolgte das Spiel im Regiewagen: «Es ist sehr spannend. Ich habe den Eindruck, dass die Fussballer vor allem mit dem schweren Ball Mühe haben. Und es ist alles etwas langsamer. Bei den Eckbällen bringen sie den Ball nicht bis in die Mitte, was unter den üblichen Bedingungen nicht der Fall ist.» Fussballer Yannis Odin (Winterthur) sagte, dass der Ball und die Grösse des Feldes sehr anstrengend gewesen seien: «Es war das Schlimmste, was ich je gemacht habe. Ich würde es nicht noch einmal machen. Nie wieder. Respekt für den Frauenfussball.» Für die Forscherin Ragna Stalsberg hat das Experiment seinen Zweck erfüllt. Es gehe darum, Frauen gegenüber fair zu sein: «Das Wichtigste ist, dass die Leute Frauenfussball so akzeptieren, wie er ist, und respektieren, wie Frauen Fussball spielen.»