«Ermordete Frauen sind so etwas wie Verkehrstote»
Anja Reschke spricht in ihrer politischen Satiresendung «Reschke Fernsehen» (ARD) Klartext: Statt um den Schutz von Frauen kümmerten sich Medien und Politik viel lieber um den Schutz vor Migranten. Ermordete Frauen seien eher so etwas wie Verkehrstote. «Tragisch, aber passiert halt.»
Kein Aufschrei, kein Wahlkampfthema, kein Sondergipfel
Zahlen des deutschen Bundeskriminalamts zeigen:
- Fast jeden zweiten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet.
- Alle drei Minuten wird eine Frau zu Hause gedemütigt, geschlagen, getreten. Das sind fast 500 jeden Tag. Die Dunkelziffer wird als hoch eingeschätzt.
- Täglich werden 140 Frauen und Mädchen Opfer einer Sexualstraftat.
Reschke: «Damit leben Frauen seit Jahrzehnten, seit Jahrhunderten. Hat das mal einen Aufschrei ausgelöst? War das mal Wahlkampfthema, gab es einen Sondergipfel, aufgeregte Debatten? Nein.» Gewalt gegen Frauen sorge nur dann für Schlagzeilen und politische Aufregung, wenn die Täter Migranten seien. «Wenn nicht ‘fremde’ Männer beteiligt sind, gehört Gewalt gegen Frauen eher zum Normalbetrieb.»
Keine Schlagzeilen
Auch die meisten Medien nähmen das Thema Gewalt gegen Frauen nicht wirklich ernst, sagt Reschke. Anders in Spanien. Dort werde jeder Femizid in den Hauptnachrichten im Fernsehen erwähnt. In Deutschland machten Frauenmorde eher in kleinen Regionalzeitungen Schlagzeilen. Dort würden sie meist als tragische Einzelfälle dargestellt und nicht als strukturelles Problem: «Ehestreit, Beziehungstat, Familiendrama».
Justiz zeigt Verständnis für Täter
Auch die Justiz verharmlose Gewalt gegen Frauen, sagt Reschke. Die Täter kämen oft mit Totschlag statt Mord davon, was beim Strafmass einen grossen Unterschied mache. Zwei Beispiele aus dem letzten Jahr:
Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil gegen einen Mann aufgehoben, der seine Frau mit 36 Messerstichen getötet hatte. Statt lebenslang wegen Mordes muss er nur 10 Jahre wegen Totschlags ins Gefängnis, entschied das Höchstgericht. Er habe im Affekt gehandelt, weil die Frau sich trennen wollte und bereits einen neuen Freund hatte. Besondere Heimtücke oder niedrige Beweggründe für den tödlichen Angriff sah das Gericht nicht. Rechtsanwältin Christina Clemm sagt, bei Mord und Totschlag töte jemand bewusst und gewollt einen anderen Menschen. Ob das Motiv besonders verwerflich sei, müssten die Gerichte entscheiden. «Erstaunlicherweise ist die Rechtsprechung bei Männern, die Frauen töten, plötzlich sehr, sehr einfühlsam, warum die Täter handeln.»
Ebenfalls letztes Jahr entschied der Bundesgerichtshof, dass kein niedriger Beweggrund vorliegt, wenn das Tatopfer sich bereits vom Mann getrennt hat. Dann handelt es sich also nicht um Mord. Clemm sagt, die Justiz könnte eine solche Tat auch als «ganz besonders verwerflich» einstufen, wenn ein Mann sie begeht, weil seine Frau ihn verlassen hat und er deshalb seinen Besitzanspruch nicht mehr durchsetzen kann.
«Bis Gesetz in Kraft ist, sind weitere 1000 Frauen tot»
Anfang dieses Jahres hat der Bundestag das «Gewalthilfegesetz» verabschiedet. Dieses schreibt unter anderem den Ausbau von Frauenhausplätzen vor. Diese waren bisher massiv unterfinanziert, obwohl täglich fast 500 Frauen häusliche Gewalt erleben. Der Mangel an sicheren Plätzen in Frauenhäusern könne dazu führen, so Rechtsanwältin Clemm, dass Betroffene zum Täter zurückkehren müssten. Dies könne zu weiterer und massiverer Gewalt führen. Das «Gewalthilfegesetz» sieht einen Rechtsanspruch auf einen Platz im Frauenhaus vor, allerdings erst ab 2032. Reschke: «Bis dahin sind weitere 1000 Frauen tot, wenn die Gewalt so bleibt wie bisher.»
«Männer bleiben im Herrenhaus, Frauen müssen ins Frauenhaus»
Die Politik bekämpfe weiterhin nur Symptome, sagt Reschke. Das «Gewalthilfegesetz» soll es Frauen zwar erleichtern, sich in Sicherheit zu bringen. Für schlagende Männer ändere es aber nichts. Und eine von der Regierung vorgeschlagene Verschärfung des «Gewaltschutzgesetzes» lehnte das Parlament ab. Die Bundesregierung wollte gewalttätige Männer verpflichten, an Anti-Gewalt-Trainings teilzunehmen oder elektronische Fussfesseln zu tragen.
Doch jetzt tragen weiterhin vor allem Frauen die Konsequenzen, wenn ihr Partner gewalttätig wird. Sie müssen ihr Zuhause, ihren Besitz und vielleicht auch ihre Kinder zurücklassen. Reschke: «Die Männer leben weiter im Herrenhaus, die Frauen müssen ins Frauenhaus.» Laut Bundesfamilienministerium erlebt jede vierte Frau im Lauf ihres Lebens Gewalt durch ihren Partner. Statistisch gesehen müssten also alle jemanden kennen, der gewalttätig ist oder Gewalt erfahren hat. Reschke: «Es ist nicht hinnehmbar, dass in unserem Land Frauen jeden Tag Gewalt aushalten müssen. Und dass so viele Frauen getötet werden, einfach weil sie Frauen sind – und keine Sau interessiert sich dafür.»