Mullah wegen Vergewaltigung einer Zehnjährigen verurteilt
Der muslimische Geistliche hat seine Schülerin nach dem Koran-Unterricht gefesselt, ihr den Mund verklebt und sie vergewaltigt. Das schwer verletzte und traumatisierte Mädchen fand Hilfe in einem Frauenhaus der US-Frauenrechtsorganisation «Women for Afghan Women». Vor Gericht war der Geistliche geständig. Er verteidigte sich mit dem Argument, dass das Mädchen ihn verführt habe. Die mutige Zehnjährige, die in Begleitung ihres Vaters und eines Onkels am Prozess teilnahm, warf ihm vor zu lügen. Weinend sagte sie, er habe sie zum Sex gezwungen und damit ihr Leben zerstört
Widerstand gegen Anti-Gewalt-Gesetz
Wenn das Gericht der Argumentation des Täters gefolgt wäre, hätte es auch das Mädchen wegen Ehebruchs bestrafen müssen. Doch der zuständige Richter Mohammed Suliman Rasuli sagte, ein Kind könne keinen Ehebruch begehen. Er verurteilte den Geistlichen aufgrund eines Dekretes, das Gewaltverbrechen gegen Frauen wie Vergewaltigung, Zwangsheirat, häusliche Gewalt und Frauenhandel ahndet. 2009 hatte der damalige Präsident Hamid Karsai das Dekret in Kraft gesetzt. Es bricht mit der gesellschaftlichen Akzeptanz und damit der Straffreiheit von Gewaltverbrechen gegen Frauen. Das Parlament hat das Dekret jedoch bis heute nicht als Gesetz verabschiedet. Der Widerstand unter den Abgeordneten ist gross. Bei einer Abstimmung könnte es verwässert oder abgelehnt werden.
Fortschritt für Frauenrechte
Naheed Samadi Bahram von «Women for Afghan Women» sagte gegenüber dem Nachrichtensender CNN, das Urteil stärke das Vertrauen in das afghanische Rechtssystem. Dass das junge Mädchen aus der nordafghanischen Stadt Kundus sein Recht durchsetzen konnte, sei ein Erfolg für die Frauenrechte in ganz Afghanistan. Patti Gossman von der Menschenrechtsorganisation «Human Rights Watch» sagte, es sei ungewöhnlich, dass es überhaupt zu einem Prozess gekommen sei. Die Dunkelziffer sei sehr gross. Die meisten vergewaltigten Frauen fürchteten um ihr Leben, wenn sie eine Vergewaltigung anzeigen. In einem Land, in dem viele Frauen wegen sogenannt «moralischer Verbrechen» im Gefängnis sitzen, sei es ein Fortschritt, dass der Richter nicht das Kind bestraft habe. Es wird erwartet, dass der Geistliche Berufung gegen das Urteil der ersten Instanz einlegen wird.
Weiter in Lebensgefahr
Laut Amnesty International ist die Verurteilung des Täters ein Erfolg der unermüdlichen Arbeit von Frauenrechtsorganisationen in Afghanistan. Sowohl das Mädchen als auch seine Unterstützerinnen seien jedoch weiter in Lebensgefahr. Das Mädchen könne Opfer eines «Ehrenmordes» werden. Und zwei Mitarbeiterinnen von «Women for Afghan Women», die den Fall öffentlich gemacht haben, hätten Morddrohungen von der Familie des Mädchens, religiösen Führungspersonen und lokal einflussreichen Personen erhalten. Amnesty fordert die afghanischen Behörden auf, das Mädchen und die Frauenrechtsaktivistinnen zu schützen und die Morddrohungen strafrechtlich zu verfolgen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine