Vergewaltiger härter bestrafen
Das Anwaltsteam des Opfers will Berufung einlegen. Vergewaltiger würden in Tunesien meist mit 10 bis 15 Jahren Haft bestraft. Dass es überhaupt zum Prozess gegen die Täter kam, ist dem Engagement von Frauenrechtsaktivistinnen im In- und Ausland zu verdanken. Sie sprechen von einem beispielhaften Prozess für Tunesien. Er zeige, wie schwierig es immer noch sei, Recht durchzusetzen.
Die drei angeklagten Polizisten hatten vor knapp zwei Jahren die damals 27-Jährige und ihren Freund nachts in Tunis in ihrem Auto überrascht. Die Polizisten in Zivil warfen dem jungen Paar «Unsittlichkeit» vor und bedrohten es. Ein Polizist zwang den Freund, «Schweigegeld» von einem Geldautomaten abzuheben. Die beiden anderen vergewaltigten in dieser Zeit die Frau.
Verfahren gegen Opfer
Die mutige junge Frau, die unter dem Pseudonym Meriem Ben Mohammed bekannt ist, zeigte die Polizisten wegen Vergewaltigung und Erpressung an. Den brutalen Übergriff machte sie öffentlich. Die Polizisten behaupteten, das Paar beim Sex im Auto erwischt zu haben. Darauf eröffnete die Justiz ein Verfahren gegen die Frau und ihren Freund wegen unsittlichem Verhalten und Erregen öffentlichen Ärgernisses. Nach massiven Protesten im In- und Ausland stellte ein Untersuchungsrichter dieses Verfahren später aus Mangel an Beweisen ein.
Opfer bedroht und beschimpft
Vor dem Prozess gegen die Polizisten sickerte der richtige Name von Meriem durch. In der Folge wurde Sie über die sozialen Medien wüst beschimpft. Verwandte der Täter tauchten bei ihrer Familie auf und bedrohten sie. Die Polizisten bestreiten die Vergewaltigung bis heute. Im Prozess warfen sie der jungen Frau vor, sie verführt zu haben. Sie sei zur Tatzeit unverheiratet und keine Jungfrau mehr gewesen.
Die Strafe von sieben Jahren Haft hält das Anwaltsteam des Opfers für viel zu gering. Das milde Urteil sei auf die Strategie der Verteidigung zurückzuführen. Sex ausserhalb der Ehe sei in Tunesien immer noch ein Tabu. Anwältin und Frauenrechtsaktivistin Mona Bousselmi sagte gegenüber der BBC, der Fall von Meriem sei längst kein persönlicher Fall mehr: «Er ist Teil unseres langen Weges zur Demokratie.» Der Schutz der Frauen vor Gewalt sei in der neuen Verfassung zwar verankert. Doch der Leidensweg von Meriem Ben Mohammed zeige, wie herausfordernd es sei, diesen auch durchzusetzen.
Reform von Polizei und Justiz erforderlich
Amna Guellali von der Menschenrechtsorganisation «Human Rights Watch» sagt, es gebe in Tunesien keine Hilfsangebote für Vergewaltigungsopfer. Auf Anzeigen reagiere die Justiz abweisend. Daran habe sich seit dem Machtwechsel nicht viel geändert. Nötig sei eine Reform von Polizei und Justiz, damit Vergewaltigungsopfer ohne Furcht vor Repression Anzeige erstatten können.
Meriem Ben Mohammed lebt mittlerweile mit ihrem Freund in Frankreich. Laut der Nachrichtenagentur AFP leidet sie unter posttraumatischen Störungen. Gegenüber der BBC sagte die mutige junge Frau, Verfassungsartikel könnten in der Realität nichts ändern. Sie hoffe deshalb, dass mehr Frauen ihrem Beispiel folgen. «Frauen müssen selber für Ihre Rechte kämpfen.» Ihre Erfahrungen schildert Meriem Ben Mohammed im Buch «Coupable d’avoir été violée» (Schuldig, vergewaltigt worden zu sein).
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine