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Neuseeland will es Opfern häuslicher Gewalt erleichtern, ihren Job zu behalten. © EU

Bezahlter Urlaub für Opfer häuslicher Gewalt

fs /  Opfer häuslicher Gewalt erhalten Anrecht auf Sonderurlaub, um ihr Leben neu zu organisieren. Davon profitieren auch die Arbeitgeber, sagt eine Politikerin.

Das Parlament in Neuseeland hat beschlossen, dass Opfer häuslicher Gewalt Anrecht auf zehn Tage bezahlten Urlaub erhalten und zwar unabhängig vom regulären Urlaub und von Krankschreibungen. Das Gesetz tritt nächstes Jahr in Kraft.

Nicht beweispflichtig
Opfer häuslicher Gewalt müssen ihre Situation nicht beweisen, wenn sie den Sonderurlaub beanspruchen wollen, schreibt der «Guardian». Die Auszeit soll es betroffenen Mitarbeiterinnen ermöglichen, sich in Sicherheit zu bringen und ihr Leben neu zu organisieren. Zusätzliche Massnahmen sollen es erlauben, dass sie ihren Job behalten können. So sollen sie nach dem Sonderurlaub ihren Arbeitsplatz und ihre berufliche E-Mail-Adresse rasch wechseln dürfen.
Die Gegner des Gesetzes argumentierten mit den hohen Kosten für kleine und mittlere Unternehmen. Diese könnten Arbeitgeber davon abhalten, Frauen einzustellen, von denen sie annehmen, dass sie Opfer häuslicher Gewalt sind oder werden könnten.

Verluste für Arbeitgeber
Anderer Ansicht ist die grüne Abgeordnete Jan Logie. Das Gesetz sei nicht nur für Frauen, sondern auch für die Arbeitgeber ein Gewinn. Die neuseeländische Wirtschaft erleide wegen häuslicher Gewalt jährlich grosse Verluste, weil betroffene Angestellte weniger produktiv sind oder kündigen. Viele Täter verfolgen Opfer bis zum Arbeitsplatz und terrorisieren sie dort mit ständigen Telefonanrufen, E-Mails und Drohungen auch gegenüber Arbeitskolleginnen und -kollegen. Sie wollen damit Opfern die Arbeit so unmöglich machen, dass sie gekündigt werden oder selber kündigen. Logie hat sich jahrelang für das Gesetz engagiert. Sie will auch klar machen, dass es zu guten Arbeitsbedingungen gehört, Opfer häuslicher Gewalt zu unterstützen.

«Gesetz wird Frauen ermutigen»
Zahlreiche Frauenrechtsorganisationen begrüssen das neue Gesetz. Ang Jury von der neuseeländischen «Women’s Refuge» sagte, die ökonomische Situation sei entscheidend für Opfer häuslicher Gewalt. «Wenn sie ihren Job und das Vertrauen ihres Arbeitgebers behalten können, während sie sich neu organisieren müssen, ist das eine sehr gute Nachricht.» Katie Ghose von der britischen «Women’s Aid», erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass Frauen oft ihren Job verlieren, wenn sie aus einer Gewaltsituation fliehen. «Dieses Gesetz wird mehr Frauen ermutigen, über erlittene Gewalt zu sprechen und Unterstützung zu suchen, wenn sie den Partner verlassen und ihr Leben frei von Gewalt neu organisieren wollen.»

«Betroffene wollen sich nicht outen»
Skeptischer ist Anna Hartman vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland. Es sei gut, dass Betroffene Zeit erhalten, um wichtige Entscheide zu fällen und sich beraten zu lassen, sagte sie gegenüber dem Nachrichtenportal «watson». Doch wenn sie den unbezahlten Sonderurlaub beanspruchen wollen, müssen sie sich als Opfer häuslicher Gewalt zu erkennen geben. Und das möchten viele Betroffene nicht. Einige schämten sich, andere möchten nicht unter sozialen Druck geraten, sich beispielsweise vom Gewalttäter zu trennen.

Ähnliche Regelungen wie in Neuseeland gibt es weltweit nur auf den Philippinen und in einzelnen Bundesstaaten Kanadas, berichtet der «Guardian».


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