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Li Yan ermordete nach monatelangem Martyrium ihren Mann und wurde deshalb zum Tod verurteilt. © AI

China: Ringen um Frauenrechte

/  Die chinesische Regierung will einerseits häusliche Gewalt bekämpfen und drangsaliert anderseits Frauenrechtsaktivistinnen.

Erstmals hat die chinesische Regierung einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der Opfer häuslicher Gewalt besser schützen soll. Er ist an Standards orientiert, die in westlichen Ländern üblich sind. So macht er beispielsweise den Behörden Vorgaben, wie sie im Fall von Anzeigen vorgehen müssen: Opfer und Täter getrennt vernehmen und die Opfer umgehend medizinisch betreuen. Kein expliziter Straftatbestand wird Vergewaltigung in der Ehe. Und für unverheiratete Paare soll das Gesetz nicht gelten. Trotz dieser Mängel gilt der Gesetzesentwurf in China als Fortschritt für die Frauen, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung».
Ungewöhnliches Vorgehen
Für ein Gesetz gegen häusliche Gewalt haben sich seit der Frauenkonferenz in Peking zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGO) eingesetzt. Das ist in China ungewöhnlich, da die meisten Gesetze von der Partei vorgeschlagen werden. 2003 gab es einen ersten Gesetzesentwurf gegen häusliche Gewalt. 2009 folgte der zweite. 2010 gab es ein Urteil, das landesweit für Proteste sorgte: Li Yan wurde zum Tode verurteilt, weil sie ihren Mann nach monatelangem Martyrium ermordet hatte. Die Regierung erliess neue Richtlinien für Delikte gegen «Haustyrannen». Darauf wurde die Todesstrafe aufgehoben und in diesem Frühjahr in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt.

Repressionen gegen Aktivistinnen
Ob und wann der Gesetzesentwurf gegen häusliche Gewalt verabschiedet wird, ist unklar. Er steht im Gegensatz zum zunehmend repressiven Vorgehen der Regierung gegen Frauenrechtsaktivistinnen. So wurden im Frühjahr fünf Frauen verhaftet, weil sie sich gegen sexuelle Belästigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln engagiert hatten. Nach einem Monat kamen sie unter Auflagen frei. Doch die Anklage wegen Störens der öffentlichen Ordnung und damit eine Strafandrohung von fünf Jahren Haft sind bisher nicht vom Tisch. Und die Behörden schikanieren die Aktivistinnen und ihr Umfeld. In einem offenen Brief an die Uno kritisierten die fünf das Vorgehen gegen sie als «unerwarteten und schmerzlichen Rückschritt» für Frauenrechte in China.
Staatspräsident als «Heuchler» bezeichnet
Laut Amnesty International sind mindestens elf weitere Frauenrechtsaktivistinnen zurzeit in Haft. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Behörden offenbar die Zusammenarbeit mit ausländischen Nichtregierungsorganisationen. Amnesty International nannte den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping einen «Heuchler». Einerseits präsentiere er den Gesetzesentwurf gegen häusliche Gewalt öffentlichkeitswirksam an der Konferenz «Beijing + 20», welche kürzlich an die Uno-Frauenkonferenz vor 20 Jahren in Peking erinnerte. Anderseits lasse er Aktivistinnen, die sich für Frauenrechte engagieren, ins Gefängnis werfen. Wenn die Regierung Frauenrechte wirklich fördern wolle, dürfe sie Aktivistinnen nicht mehr gewaltsam zum Schweigen bringen.


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