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Alexandria Ocasio-Cortez kritisierte vor dem US-Parlament herablassende Sprache gegenüber Frauen. © CSpan

«Eine Tochter macht einen Mann nicht anständig»

fs /  Ein Politiker beleidigt eine junge Politikerin. Diese analysiert danach, weshalb niemand auf die frauenfeindliche Diffamierung reagierte.

In den USA beschimpfte diesen Sommer der republikanische Kongressabgeordnete Ted Yoho auf der Treppe zum Parlament die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Sie erwiderte, er sei unanständig. Kurz darauf bezeichnete Yoho die junge Abgeordnete gegenüber seinem Begleiter und Parteikollegen Roger Williams als «verdammte Schlampe». Zeuge war auch ein Journalist des als konservativ geltenden Nachrichtenportals «The Hill».
Frau und Töchter als Entschuldigung
Trotzdem bestritt Yoho in einer Erklärung vor dem Parlament, diese herabwürdigende Aussage gemacht zu haben und entschuldigte sich lediglich für die «Art der Unterhaltung». Er verwies darauf, dass er seit 45 Jahren verheiratet ist, zwei Töchter habe und sich deshalb seiner Sprache «sehr bewusst» sei. Historikerin Barbara Berg sagte in der «New York Times», der Verweis auf verwandte Frauen sei eine alte Taktik von Männern, um sexistisches Verhalten zu entschuldigen. Berühmtes Beispiel ist der oberste Richter Brett Kavanaugh, der in der parlamentarischen Anhörung wegen sexueller Belästigung wiederholt von seinen Töchtern, seiner Frau und seiner Mutter sprach.
«Ich bin auch die Tochter von jemandem»
Weil das Parlament auf die Erklärung von Yoho mit Stillschweigen reagierte, entschied Ocasio-Cortez, den Vorfall nicht zu ignorieren, sondern sich ebenfalls dazu zu äussern. Sie warf Yoho vor, Frau und Töchter als Entschuldigung für sein schlechtes Benehmen zu instrumentalisieren. «Ich bin auch die Tochter von jemandem», sagte sie in ihrer eindrucksvollen Rede vor dem

Parlament. «Ich bin hier, weil ich meinen Eltern zeigen muss, dass ich ihre Tochter bin. Und dass sie mich nicht dazu erzogen haben, Beleidigungen von Männern zu akzeptieren.» Yoho habe sie vor den Medien sexistisch beschimpft. Damit habe er öffentlich gezeigt, dass man Frauen beleidigen dürfe. Davon betroffen könnten auch seine Frau und seine Töchter sein. «Das ist inakzeptabel.»

Kein Einzelfall
Das Verhalten von Yoho sei kein Einzelfall, sagte Ocasio-Cortez. «Das ist nicht neu und das ist das Problem». Grund dafür sei ein frauenfeindlicher Konsens, der herablassende Sprache gegenüber Frauen toleriere. Sie müsse Yoho eigentlich dankbar sein, weil er gezeigt habe, dass ein mächtiger Mann, der verheiratet ist und Töchter hat, Frauen ohne Gewissensbisse, und ohne Konsequenzen befürchten zu müssen beleidigen kann, sagte Ocasio-Cortez. «Es geschieht täglich in diesem Land, auch hier, auf den Treppen zum Parlament.» Damit müsse Schluss sein: «Eine Tochter macht einen Mann nicht zu einem anständigen Menschen. Eine Ehefrau macht keinen Mann anständig. Menschen respekt- und würdevoll zu behandeln, macht einen Mann zu einem anständigen Menschen.»

Kontrollierte Wut
Kommentatorinnen wiesen darauf hin, dass Ocasio-Cortez mit «kontrollierter Wut» sprach. Frauen wissen, dass sie rasch als «hysterisch» oder «verrückt» bezeichnet werden, wenn sie zu emotional sprechen, schrieb Arwa Mahdawi im «Guardian». Männer hingegen wissen, dass Emotionen zu ihrem Vorteil sind. Deshalb konnte Yoho sagen: «Ich kann mich nicht für meine Leidenschaft entschuldigen.»


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