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Die Staatsanwaltschaft erwägt, das Urteil des Bezirksgerichtes anzufechten. © dbb

«Frauen verhauen» ist kein Aufruf zur Gewalt

fs /  Ein Richter meint, ein frauenverachtender Text könne Dritte nicht zu Gewalt gegen Frauen anstacheln. Die Staatsanwaltschaft ist anderer Ansicht.

In der Schweiz haben Fussballfans vor zwei Jahren an einem Match zwischen dem FC Winterthur und dem FC Schaffhausen ein 15 Meter langes Banner hochgehalten, auf dem stand: «Winterthurer Frauen f*** und verhauen». Den Text schrien sie zusammen mit anderen lauthals ins Stadion. Auf Facebook schrieben die Schaffhausen-Fans danach, es habe sich «nur» um eine Provokation gehandelt. 

Kein Gewalt-Aufruf

Sechs junge Männer, welche das Plakat hielten, hat das Bezirksgericht Winterthur kürzlich vom Vorwurf freigesprochen, öffentlich zu Verbrechen oder Gewalt gegen Frauen aufgefordert zu haben. Der Richter begründete seinen Entscheid damit, dass der Inhalt des Banners zwar «frauenverachtend, sexistisch und unter jeglicher Sau, aber nicht strafbar» sei. Das Transparent sei eine Provokation an die gegnerischen Fans gewesen. Der Text sei moralisch verwerflich, könne aber nicht als Aufruf zur Gewalt aufgefasst werden. Es sei unwahrscheinlich, dass er eine Drittperson zu Gewalt gegen Frauen anstachle. 

Staatsanwaltschaft erwägt Berufung

Die Staatsanwaltschaft, die Anklage erhoben hatte, war anderer Ansicht. Die geforderten Strafen reichten von bedingten Geldstrafen bis zu unbedingten Geldstrafen von 12’000 Franken (11’000 Euro). Nach dem Urteil des Bezirksgerichtes erwägt die Staatsanwaltschaft nun, in Berufung zu gehen, berichtete der «Landbote». Darüber entscheiden will sie, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. 

Alkohol als Ausrede

Von den Angeklagten sind drei unter anderem wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch vorbestraft, berichtete «20 Minuten». Alle gaben an, sie seien am Match betrunken gewesen. Der Text sei nicht so gemeint gewesen. Jemand anders habe ihn geschrieben. «Wir haben uns überhaupt nichts gedacht.» Im Fanmilieu herrsche halt eine «raue Kultur», sagte der Anwalt eines Angeklagten. Wäre es nicht um Frauen gegangen, sondern um eine andere Gruppe, hätte sich niemand für den Fall interessiert. Dieses Argument wirft ein seltsames Licht auf den Anwalt. Man stelle sich zum Beispiel vor, es hätte «Jüdinnen» statt «Frauen» geheissen.

Frauenverachtung ist strukturelles Problem

Eine Verurteilung der Fussballfans wäre ein Zeichen, dass die Gesellschaft Frauenverachtung nicht toleriert. Denn Frauenverachtung ist in den letzten Jahren via Social Media noch salonfähiger geworden. Betroffene sollen sich eine dickere Haut zulegen, heisst es oft. Doch Frauenverachtung ist kein individuelles Problem, wie Kate Manne in ihrem Standardwerk über die Logik der Misogynie schreibt. Frauenverachtung dient laut der feministischen Philosophin dazu, patriarchale Strukturen aufrecht zu erhalten und Frauen ihren zweitrangigen Platz zuzuweisen. Auslöser kann sein, wenn Frauen Konkurrentinnen der Männer werden, wie im Fall der Fussballfans. Denn das Plakat der Schaffhauser Fans war die Antwort auf ein Plakat der Winterthurer Fans. Darauf stand, dass die Winterthurer Frauenmannschaft mehr Fans habe als die Schaffhauser Männermannschaft.

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