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Zeynep Tufekci: «Hacker gefährdet Millionen Frauen ohne Grund und ohne öffentliches Interesse». © tvo

Hacker bringt Frauen in Lebensgefahr

fs /  Ein Hacker hat persönliche Daten von Millionen Frauen veröffentlicht. WikiLeaks hat den Link an Millionen Follower weiter verbreitet.

Ein privater Hacker hat aktuelle persönliche Daten aller erwachsenen Frauen in 79 von 81 Provinzen der Türkei online gestellt. Darunter sind Telefonnummern, Adressen und Parteizugehörigkeit. WikiLeaks verbreitete den Link über die sozialen Medien an Millionen Follower.

Wertvolle Informationen für Ex-Partner und Stalker
Einige Stunden nach der Veröffentlichung hat der Hacker zwar den Datensatz entfernt. Der Schaden war jedoch angerichtet, schreibt die Techniksoziologin Zeynep Tufekci in der «Huffington Post». Der Hacker habe das Leben von Millionen unschuldiger Frauen in der Türkei ohne Grund und ohne öffentliches Interesse in Gefahr gebracht. Jeder Stalker, Ex-Partner, missgünstige Verwandte oder Verrückte könne nun leicht herausfinden, wo er die Frauen finden könne. «In der Türkei werden jedes Jahr hunderte Frauen ermordet, meist von ihren aktuellen oder ehemaligen Partnern, und tausende Frauen müssen sich aus Sicherheitsgründen verstecken.» Diese seien nun alle in Gefahr. Da auch die nationale Identifikationsnummer veröffentlicht wurde, müssten alle Frauen damit rechnen, dass jemand ihre Identität klaue und sich als sie ausgebe – mit unabsehbaren Folgen.

Kein Thema für westliche Medien
Tufekci kritisiert, dass westliche Medien kaum über diese «unverantwortliche» Daten-Veröffentlichung berichtet haben. Die Privatsphäre dürfe nicht mit dem Argument der freien Meinungsäusserung im Internet willkürlich und ohne öffentliches Interesse verletzt werden. Der Datensatz enthalte ausschliesslich Frauen, weil der Hacker die Daten bei der AKP erlangt hat, erklärte Tufekci gegenüber «heise online». Die Regierungspartei habe die Daten der Frauen wohl für gezielten Wahlkampf zusammengetragen.

«Narzisstischer Frauenhasser»
WikiLeaks hatte die Verbreitung der türkischen Daten entscheidend befördert. Die britische Frauenrechtsaktivistin und Publizistin Joan Smith bezeichnete im «Guardian» WikiLeaks-Gründer Julian Assange als «narzisstischen Frauenhasser». Er habe auch die E-Mails der US-Demokraten zum Parteitag veröffentlicht, um gezielt Hillary Clinton zu schaden. Assange sei keine Ausnahme, schreibt Smith. Frauenhass sei heute in der Öffentlichkeit so verbreitet wie nie zuvor. Als Beispiele nennt sie den Mord an der britischen Politikerin Jo Cox und die Hasstiraden gegen Hillary Clinton am Parteitag der US-Republikaner.

Polarisierung fördert Frauenhass
Smith befasst sich seit über dreissig Jahren mit dem Thema Frauenhass. Diesen habe es schon immer gegeben. In guten wirtschaftlichen und Friedenszeiten sei er öffentlich weniger präsent als in Zeiten von Rezession, Unsicherheit und Fundamentalismus. Die Polarisierung der Gesellschaft lasse ihn aufblühen, denn Frauenhass sei am rechten und linken Rand verbreitet. Er müsse ernst genommen und dürfe nicht ignoriert werden. Es brauche eine «Null-Toleranz-Haltung», damit Frauenhass nicht Teil unserer Gesellschaft werde, sagt Smith.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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