«Ich habe alle meine Liebsten belogen»
Die Frauen berichten in der Zeitschrift «Elle», wie die Gewalt in ihren Alltag kam und wie lange sie brauchten, sich aus der Beziehung mit dem gewalttätigen Mann zu lösen. Géraldine erzählt, dass ihr Freund sie zuerst wie eine Prinzessin behandelte. Dann habe er sie zuerst verbal beschimpft und schliesslich körperlich angegriffen. Trotz allem sei sie immer wieder zu ihm zurückgekehrt. «Ich habe alle meine Liebsten belogen. Meine Kinder mussten wegen mir Schlimmes ertragen.» Sie habe Hilfsangebote ausgeschlagen. Schliesslich hat der Mann sie mit einem Messer schwer verletzt und einen Erzieher getötet, der Géraldine schützen wollte.
«Ich habe ihn getröstet»
Ramona erzählt: «Wenn er mich geschlagen hat, hatte er oft unser Kind in seinen Armen. Er sagte, ich würde es nie wiedersehen, wenn ich ihn verlasse.» Muriel: «Ich habe mehrmals Klage eingereicht. Aber man sagte mir es gebe unzählige Frauen wie mich.» Morgan: «Er weinte und ich habe ihn getröstet.» Kadija: «Vor der Familie lobte er mich in den höchsten Tönen: ’Meine Frau ist aussergewöhnlich’». Jacqueline: «Ich frage mich immer noch, wie man jemanden hat lieben können, den man später töten möchte.»
Schweigen brechen
Mit den Interviews begann «Elle», bevor die Übergriffe in Hollywood öffentlich wurden. Die interviewten Frauen wurden wiederholt Opfer häuslicher Gewalt und versteckten ihr Schicksal während Jahren. Die Frauen seien sehr mutig, schreibt «Elle». Sie seien mit ihren Gesichtern an die Öffentlichkeit gegangen, obwohl sie mit Vergeltungsmassnahmen ihrer Ex-Partner rechnen müssen. Ihre Aussagen sollen andere Opfer ermutigen, das Schweigen zu brechen: «Das Schweigen der Opfer und der Gesellschaft ist eines der grössten Probleme», schreibt «Elle». Nur wenn man das Schweigen über häusliche Gewalt breche, könnten sich die Mentalitäten ändern.
Opfer sichtbar machen
Anfang Oktober hat in Frankreich die Titelseite der Musikzeitschrift «Les Inrockuptibles» landesweit für Empörung gesorgt: Darauf ist unter dem Titel «Cantat – In seinem Namen» der Rockstar Bertrand Cantat zu sehen. Dieser hatte 2003 seine damalige Partnerin,
Titelseite mit dem Täter (links) – Editorial über das Opfer (rechts).
die Schauspielerin Marie Trintignant so schwer geschlagen, dass sie Tage später starb. Die Musikzeitschrift stellte Cantat auf der Titelseite jedoch nicht als Verbrecher vor, sondern als sensiblen Mann und Musiker. Sechs Seiten widmete die Zeitschrift dem Rocker. Das Opfer Marie Trintignant kommt darin nicht einmal mit Namen vor. «Elle» reagierte eine Woche später mit dem Editorial «Im Namen von Marie». Im Editorial hiess es, ihr Gesicht stehe stellvertretend für das Gesicht aller weiblichen Opfer der Gewalt von Männern. Man müsse die Gewalt gegen Frauen endlich sichtbar machen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine