«Ich wollte, dass sie gedemütigt reagiert»
In einer Vergewaltigungsszene im Bertolucci-Film «Der letzte Tango in Paris» weint die junge Schauspielerin Maria Schneider echte Tränen. Der Film hat ihr Leben für immer verändert. Die feministische Vereinigung «Non una di meno» (Nicht eine weniger) schrieb anlässlich des Todes von Bertolucci im November: «Heute gedenken wir der 2011 verstorbenen Maria Schneider, die für immer von dieser Gewalt geprägt war.»
Traumatisierende Erfahrung
Mit dem Film «Der letzte Tango in Paris» schaffte Bertolucci 1972 den Durchbruch als Filmregisseur. Der Film erzählt die Geschichte eines Amerikaners, der mit einer halb so alten Französin eine Affäre hat. Die Hauptrollen spielten Marlon Brando und Maria Schneider. Die Französin war damals erst 19 Jahre alt. Über die traumatisierende Erfahrung der Vergewaltigungsszene sprach sie danach mehrmals öffentlich. Empörung löste diese allerdings erst aus, als Bertolucci Jahrzehnte später gestand, Schneider erst unmittelbar vor dem Dreh über diese Szene informiert zu haben. Zum Zeitpunkt des Geständnisses war Schneider bereits tot.
Echte Tränen
In der Szene überwältigt der damals 48-jährige Marlon Brando Maria Schneider von hinten und schiebt ihr Butter in den Anus. Schneider liegt wehrlos auf dem Bauch und weint. Was die meisten damals nicht wussten: Ihre Tränen waren nicht gespielt, sondern echt. «Ich habe mich vergewaltigt gefühlt, sowohl von Marlon Brando als auch von Bernardo Bertolucci», sagte Schneider später in einem Interview der «Daily Mail». Sie sei sehr wütend gewesen, habe aber zu wenig Erfahrung gehabt, um sich zu wehren. Von dieser Erfahrung erholte sich Schneider nie mehr richtig. Obwohl sie keine Nacktszenen mehr drehte, nahm man sie Zeit ihres Lebens als Sexsymbol wahr und nicht als seriöse Schauspielerin. Sie litt an Depressionen und war auch drogenabhängig.
Kein Bedauern
Jahrzehnte nach den Aufnahmen sagte Bertolucci in einem Interview im niederländischen TV-Sender NTR, er habe die Reaktion von Schneider als Mädchen und nicht als Schauspielerin filmen wollen. «Ich wollte, dass sie gedemütigt reagiert und die Demütigung nicht spielt.» Er fühle sich schuldig, bedauere aber nichts. Das Interview fand 2013 statt, zwei Jahre nach dem Tod von Schneider. Bertolucci musste also nicht mehr mit Konsequenzen rechnen. Doch die öffentliche Empörung blieb auch jetzt aus. Erst Ende 2016 löste das Interview einen Sturm der Entrüstung aus, nachdem es in den sozialen Medien verbreitet worden war. Ein Jahr später machte #MeToo das Ausmass sexueller Belästigung und Übergriffe in der Filmbranche sichtbar. Seither müssen Täter mit Konsequenzen rechnen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine