Parlament gedenkt ermordeter Frauen
Das ist weltweit einmalig. Andernorts machen Morde an Frauen wegen ihres Geschlechts nur dann überregionale Schlagzeilen, wenn der Täter ein Migrant ist. Ansonsten gelten Frauenmorde als traurige Einzelfälle und nicht als strukturelles Problem, gegen das die Politik etwas unternehmen muss.
Schweigeminute für die Opfer
Anders ist dies in Spanien, wie das ARD-Magazin «Weltspiegel» kürzlich berichtete. Dort wurden im vergangenen Jahr 48 Frauen ermordet. 48 Mal gab es im nationalen Parlament eine Schweigeminute für ein Opfer. Und 48 Mal war ein Frauenmord die erste Meldung in den Hauptnachrichten des öffentlich-rechtlichen Senders tve.
Ermordet nach Aussage im TV
Auslöser für das Umdenken in Spanien war ein Frauenmord vor fast dreissig Jahren. 1997 sagte Ana Orantes im TV-Sender Canal Sur, ihr geschiedener Ehemann habe sie jahrelang geschlagen. Den Schritt an die Öffentlichkeit bezahlte sie mit ihrem Leben. Ihr Exmann ermordete sie zwei Wochen später.
Härtere Strafen, spezialisierte Gerichte, Hilfen für Opfer
Das schockierte das ganze Land. Beatriz Martín Téllez von tve sagte dem «Weltspiegel»: «Niemand konnte sie retten. Damals begannen wir und die ganze Gesellschaft zu verstehen, dass es viele Ana Orantes gibt. Und dass etwas getan werden musste, um diese Macho-Gewalt zu stoppen.» Die spanischen Frauen forderten erfolgreich härtere Strafen, spezialisierte Strafkammern an den Gerichten und Hilfen für die Opfer. Die Zahl der Frauenmorde ging darauf um fast einen Drittel zurück.
Spezialistin bei der Polizei
Wie die Polizei Frauen in Not heute gezielt unterstützt, zeigte der «Weltspiegel» am Beispiel von Boadilla del Monte, einem Vorort von Madrid. Dort ist die Polizistin Esther Muela auf Gewalt gegen Frauen spezialisiert. Wenn eine bedrohte Frau um Hilfe bittet, gibt sie die Daten aus der polizeilichen Befragung in die landesweite Datenbank VioGen ein. Ein Algorithmus berechnet das Risiko der Frau. So kann die Polizei rasch entscheiden, wie sie das Opfer am besten schützen kann. Wenn Esther Muela gefährdete Frauen persönlich trifft, trägt sie Zivil, damit der Gefährder keinen Verdacht schöpft.
Bei verurteilten Gewalttätern wird es für die Opfer wieder gefährlich, wenn der Täter Freigang bekommt. Esther Muela nimmt deshalb vorher Kontakt mit dem Opfer auf. Sie informiert die Frau, dass und wie lange der Täter Freigang hat. Während des Freigangs steht die Polizei in regelmässigem Kontakt mit der Frau, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut geht und alles in Ordnung ist.