Susan Brownmiller hat vor fünfzig Jahren als Erste die Funktion der Vergewaltigung als Machtinstrument analysiert. © dolds

Sie veränderte die Debatte über Vergewaltigung

fs /  Die Feministin Susan Brownmiller beendete die von Männern gepflegten Mythen über Vergewaltigung. Ende Mai ist sie im Alter von 90 Jahren gestorben.

Der Tod der US-Autorin und Aktivistin sorgte nur in einschlägigen Medien für Schlagzeilen, obwohl sie mit ihrem Buch über Vergewaltigung als Machtinstrument ein Standardwerk geschrieben hat. In «Gegen unseren Willen: Vergewaltigung und Männerherrschaft» analysierte sie vor 50 Jahren erstmals umfassend Vergewaltigung als Instrument männlicher Machtausübung über Frauen. Brownmiller widerlegte die damals weitverbreiteten Mythen, dass Frauen insgeheim wünschten, vergewaltigt zu werden, und dass eine Vergewaltigung gegen den Willen der Frau nicht möglich sei.

«Männer halten Frauen in einem Zustand der Angst»
Brownmiller erkannte, dass alle Frauen allein wegen ihres Geschlechts von der Bedrohung durch Vergewaltigung betroffen sind. «Vergewaltigung ist nicht mehr und nicht weniger als ein bewusster Prozess der Einschüchterung, durch den alle Männer alle Frauen in einem Zustand der Angst halten», schrieb sie. «Die Entdeckung des Menschen, dass seine Genitalien als Waffe dienen können, um Angst zu erzeugen, muss als eine der wichtigsten Entdeckungen der prähistorischen Zeit gelten.»

«Botschaft unter Männern»
Brownmiller analysierte auch als Erste die Rolle der Vergewaltigung in Kriegen. Sexualisierte Gewalt in bewaffneten Konflikten sei vor allem eine Botschaft unter Männern. Sie sei ein wesentlicher Bestandteil der Strategie, den Feind zu demoralisieren und zu erniedrigen, schrieb sie in «Gegen unseren Willen».

Kritik
Das Buch hat laut einem Nachruf der «New York Times» weltweit gesellschaftliche Debatten über sexuelle Gewalt und patriarchale Strukturen verändert. Es führte zu gesellschaftlichen und gesetzlichen Veränderungen, welche die Strafverfolgung von Vergewaltigern erleichterten. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und gilt als eines der wichtigsten Werke des 20. Jahrhunderts. Linke und Rechte warfen Brownmiller vor, alle Männer in einen Topf zu werfen. Junge Feministinnen kritisierten ihre spätere Aussage, dass Frauen sich vor Übergriffen selbst schützen müssten. Das mache niemand anderes für sie.

Gegnerin der milliardenschwere Pornografie-Industrie 
Brownmiller war auch eine lautstarke Gegnerin der milliardenschweren Pornografie-Industrie. Sie argumentierte, dass die Entmenschlichung von Frauen in der Pornografie ein Hauptgrund für sexuelle Gewalt sei. Als Mitgründerin der «Women Against Pornography» (Frauen gegen Pornografie) führte sie in den Siebzigerjahren in New York Aufklärungstouren über den Times Square mit seinen unzähligen Pornokinos, Sexshops und Striptease-Bars. «Miss Brownmiller stellte sich wie eine Fremdenführerin an eine Ecke und gestikulierte die West 42nd Street auf und ab und kommentierte die lüsternen Sehenswürdigkeiten. Ihr Vortrag war so professionell, dass mehrere Touristen stehen blieben und zuhörten», berichtete die «New York Times» 1979.

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