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Frauen wird es schwer gemacht, Täter zur Verantwortung zu ziehen. © AL

Zwei Jahre #MeToo: Nachsicht mit Bad Boys

fs /  Frauen darf man als «Drecksau», aber Männer nicht als «Belästiger» bezeichnen. Zwei Jahre nach #MeToo scheint vieles beim alten geblieben zu sein.

Mit dem Hashtag #MeToo entstand vor zwei Jahren eine internationale Bewegung gegen sexuelle Übergriffe. Seither ist die Debatte über Macht, Gewalt und patriarchale Strukturen verblasst. Wie stabil diese sind, zeigen zwei kürzlich gefällte Urteile und die Comebacks von Tätern.

Enge Grenzen für Meinungsfreiheit
In Frankreich wurde Sandra Muller verurteilt, weil sie vor zwei Jahren Eric Brion auf Twitter sexuelle Belästigung vorgeworfen hatte. Muller ist die Initiantin des Hashtags #balancetonporc (Verpfeif› das Schwein), der französischen Version von #MeToo. Brion war damals Chef eines französischen Privatsenders. Vor Gericht war unstrittig, dass er bei einer Veranstaltung zu Muller gesagt hatte, sie habe grosse Brüste und sei genau sein Typ. Er werde sie die ganze Nacht zum Orgasmus bringen. Muller twitterte diese Aussagen, bezeichnete sie als Übergriff und nannte Brion mit Namen. Vor Gericht sprach dieser von einem «Flirt». Der Tweet habe ihn fälschlicherweise als Sexualstraftäter dargestellt und deshalb seine Karriere ruiniert. Das Gericht folgte seiner Argumentation und verurteilte Muller wegen übler Nachrede. Ihr Tweet habe die Grenzen der Meinungsfreiheit gesprengt. Muller hat angekündigt, das Urteil anzufechten, berichtet «Le Monde».

Weite Grenzen für Meinungsfreiheit
In Deutschland hatte zuvor das Landgericht Berlin entschieden, dass die grüne Politikerin Renate Künast im Netz als «Schlampe», «Drecks-Fotze», «Drecksau», «Stück Scheisse» und «Pädophilen-Trulla» bezeichnet werden darf. Das seien keine persönlichen Schmähungen, sondern eine zulässige Kritik im Rahmen der freien Meinungsäusserung. Die Aussage «knattert sie doch mal so richtig durch, bis sie wieder normal wird», bezeichnete das Gericht als «Stilmittel der Polemik». Künast hatte auf dem Rechtsweg verlangt, dass Facebook die personenbezogenen Daten von über 20 Autoren solcher Kommentare herausgeben muss, damit sie diese verklagen kann. Das Urteil sei ein «katastrophales Zeichen» an Frauen, was sie sich im Netz gefallen lassen müssen, sagte Künast der Deutschen Presseagentur. Sie hat angekündigt, es anzufechten.

Rückkehr der Beschuldigten
Im Zuge von #MeToo verloren einige Beschuldigte ihre Jobs. Mittlerweile werden Taten wieder verharmlost und verschwiegen. Und Beschuldigte können ihre Karrieren fortsetzen. Prominentes Beispiel ist Roman Polanski. Der Filmregisseur ist ein mit internationalem Haftbefehl gesuchter Sexualstraftäter. Er hatte 1977 eine Minderjährige vergewaltigt und die Tat auch gestanden. Vor dem Urteil setzte er sich nach Europa ab und kehrte nie mehr in die USA zurück. Mittlerweile haben fünf weitere Frauen ihn der sexuellen Gewalt beschuldigt. Doch die Filmindustrie hat sich bis heute nie ausdrücklich von ihm distanziert. Im Spätsommer konnte er an den Filmfestspielen in Venedig teilnehmen und mit seinem neusten Film einen Preis gewinnen. Festivalleiter Alberto Barbera begründete dies damit, dass man die Kunst vom Künstler trennen müsse. «Ich kann nur sagen, ob ein Film in den Wettbewerb gehört oder nicht.»

«Wendepunkt für #MeToo»
Die Rückkehr von Polanski ins Rampenlicht der Filmindustrie sei ein sichtbarer Wendepunkt für #MeToo, schreibt der Kolumnist Nils Pickert im «Standard»: «Dieser vielstimmige Aufschrei hat sich nicht nur gegen die eigentlichen Taten gerichtet, sondern auch gegen das System, das die Taten ermöglicht hat, und die Menschen, die sie beschwiegen und verharmlost haben. Und zwei Jahre nach #MeToo scheinen wir wieder in das so vertraute entspannt-distanzierte Sprechen über Gewalt zurückzufallen.» Im Fall von Polanski heisst dies: Seine Taten werden beiseitegeschoben und damit verharmlost, weil er ein genialer Filmemacher ist. Kein Thema ist, dass er immer noch ein mit internationalem Haftbefehl gesuchter Sexualstraftäter ist. Polanski wolle Jahrzehnte nach der Vergewaltigung vermutlich einfach nur sein Leben leben, schreibt Pickert. «Andererseits wäre ein dreizehnjähriges Mädchen auch gerne nicht vergewaltigt worden. Es ist unsere Aufgabe zu entscheiden, was schwerer wiegt. Und wir haben viel zu lange falsch entschieden.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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