Polizei verfolgt Belästiger von Joggerinnen
In der südenglischen Grafschaft Surrey liefen Polizistinnen in Zivil beliebte Joggingstrecken von Frauen ab. Uniformierte Kollegen standen in der Nähe bereit, um im Bedarfsfall einzugreifen. Sie hatten einiges zu tun. Belästiger verfolgten die Undercover-Polizistinnen, pfiffen ihnen hinterher oder riefen abwertende und übergriffige Kommentare. Die uniformierten Polizisten hielten die Täter an und belehrten sie über die Folgen ihres Verhaltens für die Joggerinnen. Im Wiederholungsfall oder bei schwereren Taten wie sexuellen Übergriffen und Diebstahl erfolgte eine Festnahme.
Täter abschrecken
Ziel des Pilotversuches war es, potenzielle Täter abzuschrecken, sagte Polizeikommandant Jon Vale dem Radiosender LBC. «Ein Mann, der langsamer wird, starrt und schreit, auch wenn es nicht immer strafbar ist, kann das tägliche Leben von Menschen beeinflussen und Frauen davon abhalten, etwas so Einfaches zu tun wie zu laufen.» Die Polizei wolle potenziellen Tätern die Botschaft vermitteln, dass sie Belästigungen von Frauen im öffentlichen Raum nicht toleriert. Sie werde Laufrouten von Frauen auch nach Ablauf des Pilotversuches im Auge behalten. Seine Botschaft an potenzielle Belästiger lautet: «Wenn Sie das nächste Mal eine Joggerin sehen, denken Sie einfach daran, dass Polizisten in der Nähe sein könnten, die bereit sind, Sie aufzuhalten. Ihr Verhalten ist in Surrey nicht willkommen.»
«Für Frauen Alltag»
Belästigungen im öffentlichen Raum können Frauen verunsichern und auch zu schweren Sexualstraftaten führen. Polizistin Abby Hayward ging für den Pilotversuch in Zivil joggen. Sie sagte, diese Form der Belästigung sei für Frauen Alltag. Man müsse Männern klarmachen, was das für Frauen bedeute. «Wenn ich privat jogge, habe ich keine Unterstützung. Belästigungen vermiesen mir dann den ganzen Lauf.»
Polizeikommandant Vale sagte, der Pilotversuch habe ihm die Augen geöffnet. Er verstehe nun viel besser, dass diese Art der Belästigung das Sicherheitsgefühl von Frauen massiv beeinträchtigen könne.
Das Pilotprojekt war auf einen Monat beschränkt. Auslöser war eine Umfrage der Behörde «Surrey County Council». Dabei kam heraus, dass fast alle befragten Frauen im öffentlichen Raum schon einmal sexuell belästigt worden waren. Fast die Hälfte von ihnen gab an, sich nie bei der Polizei gemeldet zu haben.
Straftatbestand
Belästigungen im öffentlichen Raum wie anzügliche Sprüche, Pfeifen oder Zischen werden auch als «Catcalling» bezeichnet. In den Niederlanden ist dies seit Sommer 2024 strafbar. Im Herbst letzten Jahres wurde erstmals ein Mann zu einer Geldstrafe verurteilt.
In der Schweiz ist Catcalling kein eigenständiger Straftatbestand. Täter können im Einzelfall wegen sexueller Belästigung oder Beleidigung verfolgt werden.
Mutige Joggerin stellt Belästiger zur Rede
Auch in Deutschland ist Catcalling noch kein eigener Straftatbestand. Von der SPD kommt nun die Forderung, Catcalling unter Strafe zu stellen. Anfang dieses Jahres sorgte Joggerin Yanni Gentsch für Aufsehen. Sie stellte einen Radfahrer zur Rede, der heimlich von hinten gezielt ihren Po filmte. Gentsch filmte die Konfrontation mit ihm und veröffentlichte das Video. Es wurde über 16 Millionen Mal aufgerufen. Daraufhin lancierte Gensch eine Onlinepetition. Diese verlangt, eine Gesetzeslücke zu schliessen. Sexuell motiviertes Filmen ohne Einverständnis müsse auch dann strafbar sein, wenn keine nackte Haut gefilmt wird. Im Sommer hat sie die Petition mit über 125’000 Unterschriften dem Justizminister von Nordrhein-Westfalen übergeben.