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Laut dem Bundesverfassungsgericht ist der Kindeswille entscheidend für das Umgangsrecht. © dbb

Kein Umgangsrecht gegen Willen des Kindes

fs /  In Deutschland darf ein Gericht ein Kind nicht zum persönlichen Kontakt mit dem Vater zwingen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Das Höchstgericht hatte den Fall eines Kindes zu beurteilen, dessen Eltern sich kurz nach der Geburt trennten. Das Kind lebt seither bei der Mutter. Das Umgangsrecht des Vaters wurde Gegenstand eines jahrelangen Gerichtsverfahrens. Sieben Jahre nach der Geburt entschied das Oberlandesgericht Frankfurt a.M., dass dem Vater ein Umgang mit seinem Kind in Begleitung mit einem Umgangspfleger zustand. In der Folge fanden jedoch kaum Kontakte statt, weil das Kind diese ablehnte und die Mutter Treffen boykottierte. Sie wurde deshalb mit einem Ordnungsgeld von 300 Euro (310 Franken) bestraft.

Kindeswohl gefährdet
Das Amtsgericht Frankfurt a.M. schloss schliesslich ein Umgangsrecht des Vaters mit seinem Kind aus. Es begründete den Entscheid damit, dass das Kind jeden Umgang mit seinem Vater ablehne. Die Mutter sei weder Willens noch in der Lage, das Kind für Kontakte zum Vater zu motivieren und der Vater benutze es für den Machtkampf mit der Mutter. Ein gerichtlich erzwungener Kontakt würde das Kindeswohl gefährden. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. folgte im Wesentlichen der Argumentation des Amtsgerichts. Der Wille des Kindes werde zwar von der Mutter beeinflusst. Dennoch müsse man diesen berücksichtigen. Das Oberlandesgericht erlaubte für zwei Jahre einen monatlichen Briefkontakt.

Kindeswille entscheidend
Das Höchstgericht hat nun entschieden, dass das Urteil der Vorinstanz das verfassungsmässig geschützte Elternrecht nicht verletzt. Ein Gericht dürfe im Einzelfall das Umgangsrecht einschränken oder ausschliessen, wenn das Kindeswohl gefährdet sei. Entscheidend sei der Kindeswille und zwar auch dann, wenn dieser von einem Elternteil bewusst oder unbewusst beeinflusst werde. Der manipulierte Wille des Kindes sei nur unerheblich, wenn die beeinflussten Äusserungen des Kindes seinen tatsächlichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen. Das Urteil der Vorinstanz sei verhältnismässig, da es dem Vater den brieflichen Kontakt erlaube und er nach zwei Jahren die Umgangssituation erneut gerichtlich überprüfen lassen könne.

Mutter zum Einlenken zwingen
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Anfang dieses Jahres im gleichen Fall Deutschland gerügt. Das Verfahren dauere viel zu lange und der Vater habe zu wenig rechtliche Mittel, um seinen Anspruch auf Umgang durchsetzen zu können. Die Mutter müsse mit einem wesentlich höheren Ordnungsgeld zum Einlenken angehalten werden. Dies lehnt das Bundesverfassungsgericht ab. Einen erhöhten Druck auf die Mutter werde das Kind zum jetzigen Zeitpunkt als «Bedrohung seines etablierten Familiensystems» wahrnehmen.

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