Richter akzeptiert Zeugin mit Burka
Die Muslimin Amira B. war als Zeugin in einem Beleidigungs-Prozess vor das Amtsgericht München geladen. Sie trug eine Burka, die das Gesicht vollständig verhüllt, einen langen Ledermantel und Handschuhe. Richter Thomas Müller forderte sie auf, ihr Gesicht zu zeigen, um ihre Reaktionen und Mimik zu sehen, berichtet die «Bild»-Zeitung. Ihre Religion erlaube ihr dies nicht, sagte Amira B. Sie könne allenfalls allein mit der Staatsanwältin reden. Der Richter lehnte dies ab. Amira B. sagte darauf als Zeugin aus, ohne die Burka auszuziehen.
Richter setzt Vorschrift nicht durch
Richter Müller schritt nicht ein. Er hätte zum Beispiel ein Ordnungsgeld wegen «Missachtung des Gerichts» festlegen oder Zwangsmassnahmen verhängen können. Doch der Amtsrichter wollte wegen der Verhältnismässigkeit «das Fass nicht aufmachen». In Münchner Gerichtssälen müssen laut «Bild»-Zeitung «normalerweise» nicht nur geladene Zeuginnen und Zeugen sondern sogar Zuschauerinnen und Zuschauer ihre Kappen abnehmen.
«Schande für den Rechtsstaat»
In einem Münchner Prozess sei es bisher wohl noch nie vorgekommen, dass der Richter die Burka vor Gericht akzeptierte. Dies sei eine «Schande für den Rechtsstaat Deutschland», schrieb die «Bild»-Zeitung. Das Amtsgericht habe «die Regeln unseres Rechtssystems missachtet». Die vermeintlichen Gebote einer Religion
Nach dem Prozess: Die Zeugin lässt sich vom freigesprochenen Angeklagten nur am Handgelenk anfassen. (cc)
dürften den Rechtsstaat nicht aushebeln. Im Koran stehe nirgends, dass eine Muslimin eine Burka tragen müsse. «Die Zeugin hätte Gesicht zeigen müssen.»
Burka im Gerichtssaal
Die Burka im Gerichtssaal sorgt in westlichen Ländern immer wieder für Kontroversen. In Kanada hat das Höchstgericht vor knapp drei Jahren entschieden, dass Frauen vor Gericht in bestimmten Fällen ihr Gesicht verhüllen dürfen. Die Gerichte müssten im Einzelfall zwischen der Religionsfreiheit und dem Recht auf einen fairen Prozess abwägen. Kritikerinnen und Kritiker sagten damals, dies sei unmöglich. Die beiden Rechte seien zu gegensätzlich. Kein Anwalt eines Angeklagten werde je zustimmen, dass eine Zeugin mit verhülltem Gesicht aussage.
In Österreich hat vor einigen Jahren ein Gericht eine völlig verschleierte Angeklagte vom Verfahren ausgeschlossen, weil ihre Mimik nicht sichtbar war. Sie hatte sich geweigert, ihre Burka im Gerichtssaal abzunehmen. Der Oberste Gerichtshof hat ihren Ausschluss vom Verfahren später nicht kritisiert.
In Spanien hat ein Richter am Nationalen Gerichtshof von einer Zeugin, die eine Burka trug, verlangt, ihr Gesicht zu zeigen. Er begründete dies – ähnlich wie das Gericht in Österreich – damit, dass Richter und Staatsanwälte während der Aussage die Gesichtszüge der Zeugin beobachten können.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine