Leihmütter zwischen allen Fronten
Marina hat Anfang März in Kiew im Luftschutzkeller der grössten ukrainischen Vermittlungsagentur «BioTexCom» ein Baby zur Welt gebracht. Dort sei es kalt und dunkel gewesen, berichtete sie im Schutz der Anonymität der «Deutschen Welle». Es habe an Essen, Wasser und Medikamenten gemangelt, obwohl die Agentur in ihren Videos nach Kriegsausbruch behauptet hatte, es fehle den Babys und Leihmüttern an nichts. Einen Tag nach ihrer Entbindung habe sie den Keller verlassen und die über 300 Kilometer lange Heimreise antreten müssen. Sie wäre gerne noch geblieben, weil es an diesem Tag einen Bombenangriff gab. Doch sie durfte nicht: «Wie ich nach Hause komme, war mein Problem.»
Geschäft auf dem Buckel von Frauen
Kommerzielle Leihmutterschaft ist in vielerlei Hinsicht ein Geschäft auf dem Buckel von Frauen. Carolin Schurr, Kultur-und Sozialgeografin an der Universität Bern, sagte gegenüber swissinfo: «Wenn das Kind erst einmal geboren ist, kümmert sich niemand mehr um die Leihmutter.» Der Krieg kommt nun erschwerend hinzu. Denn Leihmütter haben einen Job, den sie nicht wie einen anderen einfach aufgeben können. Wenn sie beispielsweise während der Schwangerschaft gesundheitliche Probleme bekommen, hängt die Versorgung nun davon ab, ob noch eine Ärztin oder ein Spital erreichbar ist und ob dieses nicht mit Verwundeten und Sterbenden überfüllt ist. Eine Flucht oder auch nur der Gang in den Schutzbunker kann für eine gesundheitlich angeschlagene Schwangere unmöglich werden. Hinzu kommt, dass viele Leihmütter nicht fliehen und ihre Familien zurücklassen wollen.
Zur Geburt zurück in die Ukraine
Leihmütter, die sich zur Flucht entscheiden und das Kind im Ausland zur Welt bringen, gelten in den meisten Ländern rechtlich als Mütter. Deshalb versucht die US-Vermittlungsagentur «Delivering Dreams» die Leihmütter zum Geburtstermin zurück in die Ukraine zu bringen. «BioTexCom» verlangt von geflohenen Leihmüttern, dass sie zum Geburtstermin in die Ukraine zurückkehren. Da die Agentur die Leihmütter in Raten bezahlt, hat sie laut der «Deutschen Welle» ein starkes Druckmittel.
Vermittlungsagenturen fürchten um ihr Businessmodell
Im Businessmodell der Leihmutterindustrie nicht vorgesehen sind direkte Kontakte zwischen den Leihmüttern und ihren Auftraggebern. Doch wegen des Krieges suchen und finden diese sich nun über Social Media. Den Agenturen passt dies natürlich gar nicht, weil sie finanzielle Verluste befürchten müssen. Die Auftragseltern warnte «BioTexCom» auf Facebook vor einer Geburt im Ausland. Die Leihmutter gelte dann rechtlich als Mutter und die Übergabe eines Kindes könne als Kinderhandel strafrechtlich verfolgt werden. Leihmutter Marina hatte die Vermittlungsagentur laut der «Deutschen Welle» explizit verboten, mit den Auftragseltern Kontakt aufzunehmen.
Kommerzielle Leihmutterschaft ist in der Ukraine legal. Agenturen vermitteln zwischen Auftraggebern und Leihmüttern. Diese erhalten etwa einen Drittel der Kosten von 30’000 bis 50’000 Franken/Euro. Das ist ein Vielfaches eines durchschnittlichen ukrainischen Jahresgehalts.