«Milliarden-Geschäft mit verzweifelten Frauen»

bbm /  Jetzt kann man an der Börse mit Aktien eines Unternehmens spekulieren, das auf künstliche Befruchtungen spezialisiert ist.

Die Fertilitäts-Industrie sei ein Milliarden-Geschäft mit dem Kinderwunsch von verzweifelten Frauen geworden. Mit der Abhängigkeit vom Aktienmarkt erreiche dieses Geschäft eine neue Dimension, warnen Judy Norsigian und Miriam Zoll in der «Biopolitical Times» und der «New York Times». Norsigian ist Geschäftsführerin der US-Organisation «Our Bodies Ourselves». Miriam Zoll hat erfolglose künstliche Befruchtungen hinter sich.
Unternehmen mit 36 Befruchtungs-Kliniken
Das Klinikunternehmen «Virtus Health», dessen Aktien nun an der Börse gehandelt werden, betreibt in Australien 36 Kliniken für künstliche Befruchtungen. Mehr als ein Drittel aller In-Vitro-Fertilisationen (IVF) in Australien findet in einer dieser Kliniken statt. «Virtus Health» steht jetzt unter dem Druck der Investoren, Wachstum und Gewinne zu erzielen. Es könnte zum Beispiel den Gewinn schmälern, wenn dank besserer Technik weniger Behandlungs-Zyklen nötig würden. Der Konzern könnte auch versucht sein, die bescheidenen Erfolgsraten von Zeugungen im Reagenzglas schöner darzustellen, um Investoren nicht abzuschrecken. Geschönte Zahlen könnten bei Frauen, die sich ein Kind wünschen, unrealistische Hoffnungen nähren, schreiben Judy Norsigian und Miriam Zoll.
Risiken und Erfolgsaussichten: Frauen sind schlecht informiert
Die «Virtus Health»-Kliniken setzen auf den wachsenden Markt bei den älteren Frauen. Doch mit zunehmendem Alter sinkt die ohnehin tiefe Erfolgsquote bei künstlichen Befruchtungen. Die «European Society for Human Reproduction and Embryology» geht weltweit von einer durchschnittlichen Erfolgsquote von 23 Prozent aus. Von 1,5 Millionen Behandlungszyklen pro Jahr kommen nur 350’000 Kinder zur Welt. Dafür nehmen Frauen viel in Kauf: Die hormonelle Stimulation und die Entnahme von Eizellen sind mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden.
«Mögliche Kundinnen würden unzweifelhaft abgeschreckt, wenn sie über die geringen Erfolgsaussichten der Zeugungen im Reagenzglas und über die Grenzen der biologischen Fruchtbarkeit informiert wären», glauben Judy Norsigian und Miriam Zoll. Doch Frauen und Männer seien darüber schlecht informiert und würden die Erfolgsquote von Zeugungen im Reagenzglas massiv überschätzen. Dies zeigten Studien aus den USA, Schweden, Kanada und Israel.
Ein Grund für diese Fehleinschätzung der Erfolgsaussichten sei die euphorische Berichterstattung in den Medien. Miriam Zoll fordert, dass unabhängige Fachleute Frauen über die Erfolgschancen informieren müssen. Eine solche Information müsse sich am Wohlergehen der Frauen und nicht am Profit einer Klinik orientieren.


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