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Crashtests mit weiblichen Puppen sind immer noch die Ausnahme. © nhtsa

Frausein ist riskant

fs /  Die Industrie entwickelt Produkte nach wie vor meistens für Männer. Für Frauen kann dies eine tödliche Gefahr sein.

Das Smartphone ist zu gross, der Hammer passt nicht in die Frauenhand und der Flaschenverschluss lässt sich nur mit Mühe öffnen. Das sind harmlose Beispiele für eine Produktewelt, in der für die Entwickler immer noch der Körper des Mannes massgebend ist.

Gefährliche Produkte
Für Frauen kann dies gefährliche Folgen haben, wie die britische Journalistin Caroline Criado Perez in ihrem Buch «Invisible Women» (Unsichtbare Frauen) beschreibt:

  • Autos: Statistiken zeigen, dass das Risiko bei einem Autounfall schwere Verletzungen zu erleiden, für Frauen deutlich höher ist als für Männer. Auch das Risiko zu sterben ist höher. Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Distanz der Autositze zum Steuerrad und zu den Pedalen sowie die Kopfstützen sind für Männerkörper konstruiert. Zudem haben die Puppen bei Unfalltests (Crashtest-Dummies) immer noch mehrheitlich Männerproportionen. Erst vor vier Jahren testete die europäische Autotest-Organisation erstmals mit weiblichen Puppen. Doch eine solche Puppe, welche nicht nur die durchschnittliche Grösse von Frauen, sondern auch Muskelmasse, Knochendichte und andere Unterschiede zwischen Frauen- und Männerkörpern berücksichtig, gibt es laut Criado Perez erst als Prototyp. In der EU schreibt kein Gesetz vor, dass bei Tests mindestens 50 Prozent der Puppen weiblich sein müssen.
  • Roboter: Sprachroboter in Autos reagieren auf Frauenstimmen oft nicht. Erst wenn Frauen die Stimme senken, reagieren sie, wie ein Test von Criado Perez zeigte. Auch der Sprachroboter Alexa reagiert oft nicht auf Frauenstimmen. Im Notfall, beispielsweise nach einem Unfall oder bei einem Einbruch, kann dies für Frauen tödlich enden.
  • Medikamente: Pharmafirmen testen Medikamente meist an jüngeren Männern. Tests an Frauen gelten als aufwendiger und damit zu kostenintensiv. Welche Wirkungen und Nebenwirkungen Medikamente bei Frauen haben, zeigt sich deshalb meist erst nach der Zulassung. Im besten Fall wirkt ein Medikament bei Frauen nicht oder weniger. Im schlechtesten Fall kann das Nichtwissen über die Wirkung bei Frauen tödliche Folgen haben. Nur wenige Länder schreiben Frauenanteile bei Tests vor. Auch bei Medizinprodukten sind Männer das Mass wie das Beispiel Kniegelenkimplantate zeigt. Frauen erhielten jahrelange unpassende Implantate.

Daten-Lücken
Laut Caroline Criado Perez gibt es viele weitere Daten-Lücken, die für Frauen schlimme Folgen haben können. Einige Beispiele:

  • Über die gesundheitlichen Auswirkungen der Chemikalien in Nagelstudios, wo meist Frauen arbeiten, weiss man kaum etwas.
  • Im Baugewerbe sind die Werkzeuge und Materialpackungen für Männer gemacht. Frauen erleiden deshalb andere Verletzungen. Doch darüber weiss man praktisch nichts.
  • In Grossbritannien kritisierten Hunderte Polizistinnen, dass die Standardgrössen der Schutzwesten ihnen nicht passen. Das kann fatale Folgen haben.
  • Mit Karten-Apps kann man den schnellsten Weg finden, aber nicht den sichersten.

Von Männern für Männer
Criado Perez zweifelt, dass die Produktewelt für Frauen bald sicherer wird: 93 Prozent der Investoren seien Männer. Diese vergeben ihr Geld lieber an Männer und diese entwickeln wiederum Produkte, die auf Männer zugeschnitten sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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