Ärztliches Attest soll Magerwahn stoppen
In Frankreich müssen Models den Agenturen eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, dass sie gesund sind. Dies hat das französische Parlament bereits Ende 2015 beschlossen. Erst jetzt ist der Erlass (Verordnung) in Kraft getreten, der die Einzelheiten regelt.
Grosser Interpretationsspielraum
Ärztinnen und Ärzte müssen die Models in Kategorien einteilen. Diese reichen von «starkes Untergewicht» bis «Adipositas Grad III». Sie können zudem Alter und Statur für die Bescheinigung berücksichtigen, was ihnen einen grossen Interpretationsspielraum gibt. Die Models müssen das Attest alle zwei Jahre erneuern. Wer Models ohne eine ärztliche Bescheinigung beschäftigt, muss mit sechs Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 75’000 Euro (80’000 Franken) rechnen.
Druck der Modeindustrie
Das französische Parlament wollte ursprünglich einen bestimmten Body-Mass-Index (BMI) als Kriterium festlegen. Auf Druck der Modeindustrie haben die Abgeordneten jedoch darauf verzichtet. Der BMI gilt jetzt nur als Anhaltspunkt für den Arzt, in welche Kategorie er ein Model einteilen soll.
Retuschen auf Fotos
Das neue Gesetz schreibt auch vor, dass retuschierte Werbefotos in Zukunft gekennzeichnet werden müssen. Fotos von Models, die nachträglich verändert wurden, müssen mit dem Hinweis «photographie retouchée» versehen werden.
Zweithäufigste Todesursache
In Frankreich leiden laut dem Gesundheitsministerium rund 600’000 Jugendliche unter Essstörungen. Diese sind bei den 15- bis 24-Jährigen die häufigste Todesursache nach Strassenunfällen. Das Gesetz soll Models vor dem Magerwahn der Branche besser schützen. Die Modeindustrie soll laut dem Ministerium nicht mehr länger ein «unerreichbares Schönheitsideal» vorgaukeln, das Jugendliche und insbesondere junge Models in die Magersucht treibt.
Verbot in Spanien
Weltweit als erstes Land hat Spanien 2006 Magermodels von den Laufstegen der Modewoche «Pasarela Cibeles» in Madrid verbannt. In Israel müssen Modelagenturen von Models eine ärztliche Bescheinigung über ihren Body-Mass-Index (BMI) verlangen. Dieser darf nicht unter die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgelegte Untergrenze von 18,5 fallen. Wer ein zu dünnes Model beschäftigt, muss mit Geldbussen rechnen.
In einigen Ländern wie Deutschland, Österreich und Italien gibt es unverbindliche Empfehlungen der Modeindustrie, auf zu dünne Models zu verzichten. In anderen Ländern konnte sich die Branche nicht einmal zu solchen unverbindlichen Richtlinien durchringen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine