Kontroverse um Rolle der Mütter
«Sind Väter die besseren Mütter?» fragte der «Spiegel» Ende 2015 auf der Titelseite. Nicht zum ersten Mal: 1980 lautete die Titel-Schlagzeile genau gleich. Damals wie heute behauptet der «Spiegel», dass Mütter Väter daran hindern, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. «Lasst die Väter ran» fordert die Autorin. Das «Maternal Gatekeeping» schade Kindern und Vätern.
«Mütterhoheit» kippen
Der Vorwurf an die Mütter, Väter an der Kinderbetreuung zu hindern, sorgt regelmässig für Kontroversen. So sagte die Autorin Jeannette Hagen kürzlich in der «Süddeutschen Zeitung», es gebe viele Väter, die sich engagieren wollen, von den Müttern jedoch zu Zahl- und Wochenendvätern degradiert würden. «Mütter haben die Macht, den Vater seinen Kindern zu entfremden.» Diese «Mütterhoheit» müsse gekippt werden. Hagen verlangt, Müttern den Unterhalt sofort zu streichen, wenn sie das vereinbarte Besuchsrecht des Vaters nicht einhalten. Ähnliche Forderungen erheben Vaterrechtsaktivisten.
«Mehr gemeinschaftliche Verantwortung»
Kolumnist Nils Pickert erwidert auf «Standard.at», solche Mütter seien Einzelfälle. Meist wollten sich die Väter gar nicht mehr engagieren. Die Frage, ob Väter die besseren Mütter sind, sei deshalb scheinheilig. «Tatsächlich fühlt sich der angebliche Mütterthron oft wie ein Gefängnis an. (…) Die vielbeschworenen mütterlichen Privilegien bestehen in Wahrheit sehr oft aus Verpflichtungen und Zumutungen, die Frauen qua Geschlecht zu übernehmen haben.» Die Welt des Kindes bestehe nicht nur aus «Vorlesen, Wochenendaktivitäten und zärtlichen Gesprächen». Dazu gehöre auch, Windeln zu wechseln, Arztbesuche zu koordinieren, am gleichen Tag bei zwei Elternabenden zu erscheinen, mit dem Kind in einer Woche neun weiterführende Schulen anzuschauen, die Wäsche zu waschen und Feiertage zu planen. Zur Welt des Kindes gehörten auch finanzielle Sorgen, «stundenlange Hausaufgabenhilfe, vollgekotzte Klamotten, Tränen in der Notaufnahme und viele, viele Tage, an denen man jede Sekunde hofft, es möge endlich Abend werden». Erforderlich sei mehr gemeinschaftliche elterliche Verantwortung für ein Kind und weniger geschlechtsspezifische Vorwürfe und Zuschreibungen.
Ähnlich argumentiert der Museumspädagoge und «Einlingsvater Johnny» auf seinem Blog weddingerberg.de. Für den Grossteil der Väter, sei die Frage irrelevant, weil sie das Ernährermodell leben. «Maternal Gatekeeping» gebe es. Doch lehnten nur wenige Mütter mehr Unterstützung vom Partner ab. Wer die Frage stellt, ob Väter die besseren Mütter seien, habe sich mit dem Thema Vatersein nur oberflächlich beschäftigt. Die Verantwortung für ein Kind sei für beide Elternteile genau die gleiche. «Nur reicht diese Erkenntnis leider nicht für eine Titel-Story.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine