Mehr Zeit für Geburt statt Kaiserschnitte

/  In den USA fordern ärztliche Fachverbände mehr Geduld bei Geburten. Neue Richtlinien sollen unnötige Kaiserschnitte verhindern.

Fast jedes dritte Kind kommt in den USA durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Der rasche Anstieg der Kaiserschnittgeburten zwischen 1996 und 2011 deute darauf hin, dass Geburten zu häufig mit einem Kaiserschnitt enden, heisst es in den neuen Empfehlungen des «American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG)» und der «Society for Maternal-Fetal Medicine (SMFM)». Die beiden Fachverbände fordern ihre Mitglieder auf, bei gesunden Frauen geduldiger zu sein. Co-Autor Aaron Caughey, Dekan der Fakultät für Geburtshilfe und Gynäkologie an der Oregon Health and Sciences University: «Der Geburtsprozess dauert länger, als wir in der Vergangenheit angenommen haben. Viele Frauen brauchen einfach ein bisschen mehr Zeit und können dann vaginal entbinden, statt mit einem Kaiserschnitt.»
Später in die Klinik
Gemäss den neuen Empfehlungen kann die frühe Wehenphase drei bis vier Tage dauern. Bisher waren frühe Wehenphasen von über 20 Stunden bei Erstgebärenden und von über 14 Stunden bei Wiedergebärenden als nicht normal eingestuft.
Die aktive Phase mit häufigeren und stärkeren Wehen beginnt nach den neuen Richtlinien erst, wenn der Muttermund sechs Zentimeter geöffnet ist. Bisher galt eine Öffnung von vier Zentimetern als Beginn dieser Phase. Dies gilt als einschneidende Änderung, da mit Beginn der aktiven Phase die Gebärenden meist in die Klinik eingewiesen werden. In der aktiven Phase sollen Erstgebärende neu mindestens drei Stunden Zeit zum Pressen haben und Wiedergebärende zwei Stunden.
Vaginalgeburt ermöglichen
Wenn der Geburtsvorgang ins Stocken gerät, sollen Ärztinnen und Ärzte nicht nur einen Kaiserschnitt, sondern auch den Einsatz von Hilfsmitteln erwägen, die eine Vaginalgeburt ermöglichen. Dazu gehört beispielsweise die Geburtszange, wenn die Ärztin oder der Arzt deren Gebrauch beherrscht. Das sei heute leider oft nicht mehr der Fall, sagt Caughey.
Kaiserschnitt spaltet Fachgesellschaften
In der Schweiz ist die Kaiserschnittrate ähnlich hoch wie in den USA. Hebammen, Kinder- und Anästhesieärztinnen und -ärzte haben kürzlich eine Broschüre herausgegeben, die werdende Eltern über den Kaiserschnitt informiert. Dieser sei ein operativer Eingriff, über den nicht leichtfertig entschieden werden sollte, sagte Barbara Stocker Kalberer, Präsidentin des Schweizerischen Hebammenverbandes, in der «Neuen Zürcher Zeitung». Die Broschüre hat die Fachgesellschaften gespalten: Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) kritisiert, sie sei Kaiserschnitt-kritisch. Deshalb will die SGGG eine eigene Broschüre herausgeben, die über den Kaiserschnitt und andere Geburtsmethoden informieren soll.


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