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Der Weg zur «Pille danach» ist für Schweizerinnen hürdenreich. © Mdd

Schweizer Behörden bevormunden Frauen

fs /  Die «Pille danach» erhalten Schweizerinnen nur nach einer Beratung. Zudem ist Werbung dafür verboten. Diese Bevormundung kommt nun vor das Höchstgericht.

Ein Werbeclip für die «Pille danach» der französischen Herstellfirma HRA-Pharma zeigt, dass junge Frauen nach einem Verhütungsunfall viele Fragen haben. Die gesprochene Botschaft: «Dieser Körper ist meiner. Ich kann ihn immer noch schützen. Solche Entscheide soll man respektieren. Ein Baby? Vielleicht einmal. Was ich jetzt tue, ist das richtige für mich. Es ist meine Zukunft. Ich bestimme darüber selber. Es ist mein Leben. Mein Entscheid. Mein Morgen danach.» Die Herstellfirma darf mit dem Werbeclip junge Frauen in Grossbritannien über die Notfallverhütung informieren, aber seit der Revision des Heilmittelgesetzes 2019 nicht mehr in der Schweiz.

Mit diesem Video darf die Herstellfirma junge Frauen in der Schweiz nicht auf die «Pille danach» aufmerksam machen. © HBA-Pharma

Beratungspflicht und Werbeverbot
Die «Pille danach» müssen Frauen nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr möglichst schnell einnehmen. Sie verzögert den Eisprung, bis die Spermien abgestorben sind. Damit wird die Befruchtung der Eizelle verhindert. Mit der Revision des Heilmittelgesetzes hätte die Schweiz die «Pille danach» wie in anderen Ländern ganz freigeben können. Doch stattdessen wurde sie verschreibungspflichtig und damit gilt seither ein Werbeverbot. In der Praxis änderte sich für Betroffene nicht viel, da sie schon zuvor die «Pille danach» erst nach einem Beratungsgespräch in der Apotheke oder Arztpraxis erhielten. Bei unter 16-Jährigen muss zusätzlich die Urteilsfähigkeit abgeklärt werden. Im Gegensatz dazu trauten die Behörden bereits 12-Jährigen zu, ohne solche Abklärung über die Coronaimpfung entscheiden zu können. Beratungspflicht und Werbeverbot gelten als Bevormundung der Frauen, denen man eigene Entscheidungen über ihren Körper nicht zutraut und einschlägige Informationen vorenthält.

Bundesverwaltungsgericht lehnt Klage ab
Gegen diese Bevormundung hat HRA-Pharma geklagt. Die Herstellfirma argumentiert, es gebe ein öffentliches Bedürfnis, dass Frauen schnell und unkompliziert Zugang zur «Pille danach» und den entsprechenden Informationen haben. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde Anfang dieses Jahres abgewiesen, berichtete die «Aargauer Zeitung». Die «Pille danach» könne Nebenwirkungen haben und es bestehe ein Missbrauchspotential. Deshalb sei es richtig, die Beratungspflicht beizubehalten und Werbung zu verbieten. Die «Pille danach» sollen Frauen nicht wie ein normales Verhütungsmittel anwenden können.

Frauen misstraut man
Myriam Cheli, Länderverantwortliche Schweiz bei HRA-Pharma hält das Missbrauchsargument für Unsinn. «Das ist absurd – bei diesen hohen Preisen macht das keinen Sinn. Zudem sehen wir in Ländern mit liberaleren Abgaben keine Steigerung der Verkaufszahlen», sagte sie gegenüber «20 Minuten». Der Weg zur Notfallverhütung sei in der Schweiz mühselig und erniedrigend. «Den Frauen wird nicht genügend Vertrauen entgegengebracht, dass sie eigene, gute und informierte Entscheidungen treffen können.» HRA-Pharma hat laut «20 Minuten» kürzlich beim Bundesgericht Berufung gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes eingelegt.

«Körper von Frauen kontrollieren»
Jede Frau soll selber über ihren Körper entscheiden können, sagte SP-Nationalrätin Tamara Funiciello gegenüber «20 Minuten». Die «Pille danach» müsse dringend einfacher zugänglich gemacht werden. Die strengen Regulierungen gebe es nur, um «die Körper von Frauen und Personen mit Uterus zu kontrollieren».
Hingegen unterstützt Nationalrätin Barbara Steinemann von der konservativen SVP die Bevormundung der Frauen: «Grundsätzlich begrüsst die SVP immer die Abschaffung von Regulierungen und gesetzlichen Hürden. Hier sind die zusätzlichen Vorschriften aufgrund möglicher Nebenwirkungen und Missbrauchspotential aber gerechtfertigt.»

Werbeverbot auch in Deutschland
Die EU hat die «Pille danach» schon vor Jahren rezeptfrei gemacht. Eine Beratungspflicht gibt es vielerorts nicht mehr. In Frankreich ist sie seit Anfang dieses Jahres sogar kostenlos erhältlich.

Deutschland hat mit der Aufhebung der Rezeptpflicht ein Werbeverbot eingeführt Begründet wurde dieses ähnlich wie in der Schweiz mit der Gefahr, dass Frauen die «Pille danach» als Verhütungsmittel missbrauchen könnten. Auch in Deutschland misstraut man also den Frauen. Berühmt geworden ist der Spruch des damaligen Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU): «Die ‘Pille danach’ ist kein Smartie.» 

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