Die Bestrafung der Freier hat in Schweden zu einem Umdenken und zu einem deutlichen Rückgang der Prostitution geführt. © stuttgart-sagt-stopp.de

«Der Kauf von Frauenkörpern ist ein Verbrechen»

fs /  Seit 26 Jahren kriminalisiert Schweden Freier. Die Vorbehalte gegen dieses «nordische Modell» seien längst widerlegt, sagt ein Experte.

Freier machen sich strafbar. Die Prostituierten dagegen bleiben straffrei. Das habe die Gesellschaft verändert und die Zuhälter vertrieben, sagt Kriminalkommissar Simon Häggström, Leiter der Prostitutions­abteilung der Stockholmer Polizei. Die Vorbehalte gegen die Kriminalisierung der Freier seien anfangs gross gewesen. Doch das nordische Modell hatte Erfolg: Heute, so Häggström, seien höchstens noch 10 Prozent der Männer in Schweden Freier. In Deutschland, wo Prostitution eine legale Erwerbsarbeit ist, seien es rund 25 Prozent der Männer. Prostitution könne man nicht abschaffen, aber für Zuhälter und Freier unattraktiv machen.

Rückgang der Prostitution
Der Kauf von Frauenkörpern sei in Schweden heute keine Normalität mehr, sondern ein schambesetztes Verbrechen, so Häggström. Dieses Umdenken habe zu einem deutlichen Rückgang der Prostitution geführt und sie für die Frauen sicherer gemacht. Die Kriminalisierung der Freier habe auch die Zuhälter vertrieben, die ihre Geschäfte auf Kosten von Frauen lieber in Ländern mit weniger strengen Gesetzen machten.

«Das Gesetz stärkt die Prostituierten»
Ein gängiges Argument gegen das nordische Modell lautet: Die Kriminalisierung der Freier erhöhe das Risiko für die Prostituierten, weil sie im Verborgenen arbeiten müssten. Häggström sagt, das Gegenteil sei der Fall: Die Kriminalisierung der Freier habe die Situation für die Prostituierten sicherer gemacht. In Schweden könne jede Prostituierte, die in Gefahr sei, die Polizei rufen. Sie wisse, dass sie nicht bestraft werde, und dass Polizei und Gesellschaft auf ihrer Seite stünden. «Das stärkt diese Frauen. Das gibt ihnen Macht, und Selbstwertgefühl.» 

Keine Prostituiertenmorde mehr
Der Freier hingegen müsse damit rechnen, verhaftet zu werden. Häggström: «Seit Schweden 1999 das Sexkaufverbot einführte, gab es keinen einzigen Mord an einer Frau in der Prostitution. In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum über hundert bestätigte Fälle.» In Ländern wie der Schweiz und Deutschland, wo der Kauf des Frauenkörpers legal ist, habe der Freier nichts zu befürchten. Er könne mit der Frau machen, was er wolle, wenn diese Geld brauche. Häggström: «Diese Frauen rufen nicht die Polizei.»

«Niemand spricht von Sexarbeit»
Ein weiteres Argument gegen das nordische Modell ist, dass es freiwillige Prostitution gibt. Frauen sollten selbst entscheiden können, welcher Arbeit sie nachgehen wollen. Häggström sagte in der «SonntagsZeitung»: «In Schweden betrachten wir Prostitution nicht als normale Arbeit. Es ist auch nicht der älteste Beruf der Welt, sondern die älteste Unterdrückung der Welt. Wir finden, dass eine Frau das Recht hat, sich nicht prostituieren zu müssen. Bei uns verwendet deshalb niemand den Begriff ‘Sexarbeit’, denn wir betrachten Prostitution als Gewalt von Männern gegen Frauen.» 

«Prostitution ist eine moderne Form der Sklaverei»
Nur ein Prozent der Frauen prostituiert sich freiwillig, so Häggström. 99 Prozent prostituierten sich, weil sie sich in einer Notsituation befänden und ausbeutbar seien. Häggström spricht von einer «modernen Form der Sklaverei». Es mache eine Gesellschaft kaputt, wenn Männer mit der Einstellung aufwachsen, sie könnten eine Frau wie einen Burger konsumieren. Die Stadt Berlin habe Sexboxen zugelassen und mit Steuergeldern finanziert, damit Männer dort Sex mit schutzbedürftigen Frauen kaufen können. «Das ist unfassbar und Europa 2025 nicht würdig.» Das habe Folgen für alle Frauen. «Prostitution hat keinen Platz in einer Gesellschaft, in der wir gleichberechtigt sein wollen.» 

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Simon Häggström, Auf der Seite der Frauen, Edition Wortschatz 2025, ISBN: 978-3-910955-18-9, CHF 24.30 / EUR 20.–
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