«Es gibt keine gute Prostitution»
Der wesentlich ältere Mann hatte die damalige Gymnasiastin emotional abhängig gemacht und von ihrem Beziehungsnetz isoliert. Weil er es verlangte, prostituierte sie sich. Später brach sie das Gymnasium ab. Sie habe nicht wahrhaben wollen, in welche Spirale von Gewalt und Ausbeutung sie hinein gerutscht sei, schreibt sie unter dem Pseudonym Sandra Norak auf dem Blog «My Life in Prostitution».
«Es war Seelenmord»
In Deutschland ist Prostitution eine legale Erwerbsarbeit. Norak schreibt, sie habe wie andere Frauen nach aussen hin gesagt, dass Prostitution ein Job wie jeder andere sei, den sie freiwillig mache. Doch kaum eine Frau komme unversehrt aus der Prostitution: «Die Prostitution hat etwas in mir zerbrochen. Es war Seelenmord.» In kleinen Schritten gelang Norak der Ausstieg. Sie hatte dabei mit posttraumatischen Störungen zu kämpfen: «Sich von fremden Menschen tagtäglich penetrieren zu lassen, erfordert einen Schutzmechanismus des Gehirns, um dabei das Empfinden abschalten zu können. Diesen Mechanismus wurde ich lange Zeit nicht los. Ich hatte verlernt, im Augenblick zu bleiben.»
«Schlimme Verharmlosung»
Heute studiert Norak Jura. Nach Abschluss des Studiums will sie Frauen in der Prostitution helfen, die keine Stimme haben. Die meisten Prostituierten machten diesen Job aus einer Notlage heraus. «6 Jahre habe ich am eigenen Leib erlebt und von anderen Frauen in zahllosen erschütternden und verstörenden Gesprächen erfahren, was diese Art von Dienstleistung in einem Menschen auslöst. Was durch sie im Menschen zerstört wird. Nicht nur die Würde, sondern das Menschsein wird einem entzogen.» Prostitution als Erwerbsarbeit zu legalisieren sei eine «schlimme Verharmlosung» sagte Norak «Spiegel Online». Deutschland müsse aufhören, blind zu sein: «Es gibt keine gute Prostitution, auch wenn viele Frauen sich ihre Probleme nicht anmerken lassen.» Der Staat müsse Freier bestrafen und Prostituierten beim Ausstieg helfen.
«Stoppt Verherrlichung der Prostitution»
Das fordert auch die US-Amerikanerin Rebecca Bender. Sie hat letztes Jahr ihr Schweigen gebrochen und ihre Geschichte öffentlich gemacht. Sie wurde von einem Mann, der ihr Liebe und Sicherheit vorgaukelte, in die Prostitution gezwungen. Als Zwangsprostituierte wurde sie mehrmals verkauft, war im Spital und auch im Gefängnis. Doch niemand erkannte ihre Zwangslage. Die Flucht gelang ihr erst, als ihr letzter Zuhälter wegen Steuervergehen ins Gefängnis musste. Bender kritisierte die «Mythen über Prostitution». Was grundsätzlich schädlich sei, werde als frei gewählter Lebensstil verherrlicht und damit normalisiert.
Umstrittene Freiwiligkeit
Die Frage, ob es eine freiwillige Prostitution gibt und ob diese von Zwangsprostitution unterschieden werden kann, ist umstritten. Je nach Standpunkt wird der Staat aufgefordert, die freiwillige Prostitution zu legalisieren, oder das Milliardengeschäft konsequent zu unterbinden und Prostituierte beim Ausstieg zu unterstützen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine