Freier-Bestrafung: Weniger Kunden und mehr Stress
Norwegen hat nach schwedischem Vorbild 2009 den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Freier müssen mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten rechnen. Im Auftrag der norwegischen Regierung hat das unabhängige Forschungsinstitut VISTA die Folgen der Freier-Bestrafung analysiert. Das Forschungsteam hat unter anderem Interviews mit Prostituierten geführt und Polizeistatistiken ausgewertet. Die Ergebnisse:
- Die Nachfrage nach Prostitution ist gesunken. Das Forschungsteam schätzt den Rückgang auf 10 bis 20 Prozent.
- Für Menschenhändler und Zuhälter ist Norwegen weniger interessant geworden. Die Zahl osteuropäischer und afrikanischer Sexarbeiterinnen ist seit dem Verbot nicht weiter gestiegen.
- Nach Angaben der Polizei hat die Gewalt gegen Prostituierte nicht zugenommen. Es könne jedoch eine höhere Dunkelziffer an Opfern geben, da die betroffenen Frauen Übergriffe aus Angst vor den rechtlichen Folgen nicht melden, heisst es in der Studie. Ausländische Frauen müssten damit rechnen, ausgewiesen zu werden. Norwegische Prostituierte fürchteten eine soziale Ächtung.
- Für die Prostituierten hat der Stress zugenommen. Die Kosten für die Werbung sind gestiegen und die Preise für sexuelle Dienstleistungen wegen der geringeren Nachfrage gesunken. Die Kunden seien oft nervös und verlangten eine schnelle Bedienung zu einem tiefen Preis, heisst es in der Studie.
- Bei möglichen Freiern hat die drohende Bestrafung bisher nicht zu einem Umdenken geführt. Einzig bei den jungen Männern zwischen 18 und 35 ist die Akzeptanz für den Kauf sexueller Dienstleistungen tiefer.
- Norwegen muss mehr Mittel zur Verfügung stellen, um ausstiegswillige Prostituierte zu unterstützen. Sprach- und Bildungskurse und alternative Erwerbsmöglichkeiten wirken sich laut dem Forschungsteam für die Betroffenen positiv aus.
Schweden hat weltweit als erstes Land 1999 den Kauf sexueller Dienstleistungen verboten. Bestraft werden wie in Norwegen nur die Freier. 2010 kam eine Bilanz der Regierung zum Schluss, dass die Zahl der Prostituierten um mindestens 30 Prozent gesunken sei. Diese Schlussfolgerung ist bis heute umstritten. Die Gegner einer Freier-Bestrafung kritisieren, dass die Dunkelziffern gross seien und das Datenmaterial deshalb keine klaren Schlussfolgerungen zulasse. Die Polizei hingegen sagt, dass die Prostitution nicht im Untergrund verschwunden sei.
In Frankreich hat eine parlamentarische Kommission die Kriminalisierung der Freier kürzlich knapp abgelehnt. Das Parlament hat noch nicht abschliessend entschieden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine