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«Mein Körper, meine Entscheidung»: Dieses Recht auf Selbstbestimmung wollen die US-Höchstrichter Frauen wegnehmen. © agovox

Frauen sind wütend auf US-Demokraten

fs /  Die Reaktion führender Demokraten auf den Entwurf des Abtreibungsurteils zeigt: Parteitaktik ist wichtiger als Frauenrechte. Aktivistinnen sind wütend.

In den USA sollen wieder die einzelnen Bundesstaaten das Abtreibungsrecht regeln. Dies geht aus dem Entwurf des höchstrichterlichen Urteils hervor, der kürzlich an die Öffentlichkeit gelangt ist. In einigen Bundesstaaten werden restriktive Gesetze in Kraft treten, die Abtreibungen praktisch ganz verbieten. 

Untätige Demokraten  
In den letzten 50 Jahren durften Frauen landesweit bis zur 24. Woche eine Schwangerschaft unterbrechen. Dieses Recht beruhte jedoch nicht auf einem Gesetz, sondern auf einem höchstrichterlichen Urteil, das nun gekippt werden soll. Das wäre ein grosser Erfolg für die Republikaner, die 50 Jahre lang auf allen Ebenen dafür gekämpft haben, Frauen wieder zu entmündigen. Die Demokraten waren nicht gewillt, ebenso engagiert für Frauenrechte zu kämpfen. Das Thema Abtreibung überliessen sie weitgehend den Republikanern und religiösen Fundamentalisten und versäumten es, das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung mit einem Bundesgesetz abzusichern.


Parteipolitk wichtiger
Auf dieses epochale Versäumnis gehen ihre Stellungnahmen zum kürzlich geleakten Entwurf des höchstrichterlichen Urteils nicht ein. Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Chuck Schumer, Mehrheitsführer im Senat, kritisierten in einer gemeinsamen Stellungnahme, das Urteil gehe auf Kosten der Frauen, die das Selbstbestimmungsrecht verlieren. Schuld seien die republikanischen Abgeordneten, welche die konservativen Richter wählten, die Ex-Präsident Trump vorgeschlagen hatte. Das Wort «Abtreibung» fehlt in der Stellungnahme. US-Präsident Joe Biden schwieg lange und brauchte in seiner Stellungnahme nur einmal das Wort Abtreibung. Auch er machte stattdessen Parteipolitik und warnte die Republikaner, dass das Volk bei den Wahlen sie im November abstrafen werde.

Die Wut der Aktivistinnen
Sie sei wütend, schrieb Autorin Roxane Gay in der «New York Times»: «Es ist schwer zu glauben, dass die Demokraten sich für den Schutz eines Rechtes engagiert einsetzen, dessen Namen sie nicht auszusprechen wagen.» Solange die Demokraten diese Zurückhaltung nicht aufgeben, werde sich nichts ändern. 
Die feministische Autorin Jessica Valenti schrieb in ihrem Blog, dass die Demokraten mit dem Abtreibungsrecht seit Jahrzehnten wie mit einer Landmine umgehen, auf die sie nicht treten wollen. Statt klar und deutlich zu sagen, dass die Politik der Republikaner für Frauen demütigend und lebensgefährlich ist, hätten es die Demokraten hingenommen, dass die Republikaner sich bis heute als «Partei des Lebens» bezeichnen können: «Die Demokraten hielten sich zurück und sprachen lieber von ‘Wahl’ statt von ‘Abtreibung’. Statt dem Rat von Aktivistinnen zu folgen und das Recht auf Abtreibung entschlossen zu unterstützen, wiederholten sie das Mantra, dass Abtreibungen ‘sicher, legal und selten’ sein müssen. Damit haben sie die Behauptung der Republikaner glaubwürdig gemacht, dass es ein Fehler ist, eine Schwangerschaft abzubrechen.» 

Jahrzehntelanges Versagen 
Auch Autorin Rebecca Traister kritisierte im Online-Magazin «The Cut» die blutleeren Reaktionen der Demokraten. Der Urteilsentwurf sei nicht nur eine Folge der Präsidentschaft von Trump, wie Schumer und Pelosi suggerieren. Er sei Folge eines jahrzehntelangen Kampfes der Republikaner und eines ebenso langen Versagens der Demokraten. In diesem Kampf habe die Rechte viel besser taktiert und kommuniziert. Besonders erfolgreich sei ihr Bild vom unschuldigen Fötus mit Pausebäcken und schlagendem Herzen geworden, das keinen Bezug zur biologischen Realität hat. Doch die Demokraten seien unwillig gewesen, dieser Lüge der Republikaner etwas entgegen zu setzen. Die Rechte habe ihr Ziel, Frauen die Selbstbestimmung zu nehmen, nie verschwiegen. Trotzdem habe die Linke nie klar die Gegenposition eingenommen.

Taten statt Worte
Viele mutige Frauen, auch Politikerinnen, haben öffentlich gemacht, weshalb sie eine ungewollte Schwangerschaft abgebrochen haben. Ihre Geschichten hätten die Demokraten aufgreifen und bei jeder Gelegenheit wiederholen müssen, schreibt Traister. Stattdessen habe die Parteiführung vermittelt, dass das Thema wahltaktisch zu gefährlich ist, um es engagiert zu vertreten. Sie habe ihr Image als Vertreterin der Frauenrechte nur verbal gepflegt, um die nächste Wahl zu gewinnen. Damit müsse jetzt Schluss sein, schreibt Traister, und fordert endlich Taten. Es brauche Leute die sich tatsächlich für Frauenrechte einsetzen. Auch wenn das diejenigen Politikerinnen und Politiker seien, die parteiintern als störend, schwierig und radikal gelten.

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