Italien: Frauenärzte verweigern Abtreibungen

fs /  In Italien steigt die Zahl illegaler Abtreibungen, weil viele Ärzte diesen Eingriff aus «Gewissensgründen» nicht durchführen.

In Italien wird es für Frauen immer schwieriger, einen Arzt für eine legale Abtreibung zu finden. Mehr als 80 Prozent der Frauenärzte führten im Jahr 2010 «aus Gewissensgründen» keine Abtreibungen mehr durch. Das sind zehn Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Und mehr als jeder zweite Anästhesist verweigert bei Abtreibungen die Mitarbeit. Die Zahl der illegalen Abtreibungen nimmt zu. Dies geht aus aktuellen Zahlen des Gesundheitsministeriums hervor, schreibt die Tageszeitung «La Repubblica».
In Italien ist seit über 30 Jahren eine Fristenregelung in Kraft. Danach dürfen Frauen eine Schwangerschaft in den ersten drei Monaten straflos abbrechen, wenn der Frau körperliche oder psychische Gefahren drohen. Später sind Abtreibungen legal, wenn der Fötus schwer missgebildet ist oder die Schwangerschaft das Leben der Frau gefährdet. Auf Druck des Vatikans wurde eine Klausel in das Gesetz eingefügt, die es Ärzten ermöglicht, Abtreibungen aus Gewissensgründen zu verweigern.
Konservative stellen die Fristenregelung regelmässig in Frage und setzen Ärzte unter Druck, keine Abtreibungen mehr zu machen. Viele geben diesem offenbar nach, weil sie befürchten, stigmatisiert zu werden und sich Karrieremöglichkeiten zu verbauen. Weil nur noch wenige Ärzte Abtreibungen vornehmen, sind die Wartezeiten in den öffentlichen Spitälern häufig zu lang, um innerhalb der legalen Frist abzutreiben, sagt Frauenärztin Silvana Agatone, die sich seit Jahren für das Recht der Frauen auf einen legalen Schwangerschaftsabbruch engagiert.
Jedes Jahr mindestens 20’000 illegalen Abtreibungen
Aktivistinnen schätzen, dass jedes Jahr mindestens 40’000 Frauen mit ihrem Anliegen auf Abtreibung in den öffentlichen Kliniken auflaufen. Wer sich einen Eingriff im Ausland nicht leisten kann, muss eine illegale Abtreibung mit allen gesundheitlichen Risiken wagen. Das italienische Gesundheitsministerium spricht von jährlich mindestens 20’000 illegalen Abtreibungen. Die Behörde schätzt diese Zahl unter anderem aufgrund der offiziell gemeldeten Fehlgeburten. Diese nehmen seit Jahren zu. Heute sind es jährlich 80’000. Fachleute sprechen von «versteckten» Abtreibungen. Ein weiteres Indiz für die Zunahme illegaler Abtreibungen sind die Gerichtsprozesse wegen missglückter Eingriffe. Deren Zahl ist von 41 im Jahr 2005 auf 188 im Jahr 2011 gestiegen. Eine der Hauptakteurinnen im Geschäft mit illegalen Abtreibungen ist laut der Guardia di Finanza die chinesische Mafia. Diese verkauft beispielsweise billige gefälschte Abtreibungspillen. Jede zehnte Frau, welche eine solche Pille schluckt, muss mit Komplikationen rechnen. Auch illegale Ambulatorien werden laut der auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Behörde oft von Chinesinnen betrieben. Wenn dort etwas schief gehe, kämen die Frauen dann oft zu spät ins Spital, sagt Silvana Agatone.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

IBAN: CH 0309000000604575581