Sieben von zehn Frauenärzten verweigern Abtreibungen
In Italien führen mittlerweile sieben von zehn Frauenärztinnen und -ärzten unter Berufung auf ihr Gewissen keine Abtreibungen mehr durch. Das sind zehn Prozent mehr als 2005. In einigen italienischen Regionen verweigern über 90 Prozent der Ärzte Abtreibungen. Dies geht aus den neusten Zahlen des italienischen Gesundheitsministeriums hervor, die das Jahr 2013 betreffen, berichtet die Tageszeitung «La Repubblica». Zugenommen haben danach die Fehlgeburten. Fachleute führen dies auf verunglückte Eingriffe in illegalen Ambulatorien oder eigene Versuche zurück.
Druck auf Ärztinnen und Ärzte
In Italien ist seit fast 40 Jahren eine Fristenregelung in Kraft. Eine Klausel im Gesetz ermöglicht es Ärztinnen und Ärzten, Abtreibungen aus Gewissensgründen zu verweigern. Konservative stellen die Fristenregelung regelmässig in Frage und setzen Ärztinnen und Ärzten unter Druck, keine Abtreibungen zu machen. Viele geben diesem offenbar nach, weil sie befürchten, stigmatisiert zu werden und sich Karrieremöglichkeiten zu verbauen.
Lebensgefährliche Strafverschärfung
Frauen, die sich einen Eingriff im Ausland nicht leisten können, müssen deshalb oft eine illegale Abtreibung mit allen gesundheitlichen Risiken wagen. Dafür ist Anfang dieses Jahres die Geldbusse von 51 auf 10’000 Euro (10’500 Franken) erhöht worden. Das könne für Frauen lebensgefährlich sein, sagt Frauenärztin Silvana Agatone, die sich seit Jahren für das Recht der Frauen auf einen legalen Schwangerschaftsabbruch engagiert. Wenn eine Frau damit rechnen müsse, eine hohe Geldstrafe zu zahlen, bleibe sie nach einer verunglückten illegalen Abtreibung eher zu Hause und komme dann möglicherweise zu spät ins Spital.
Gewissensfreiheit hat Vorrang
In den meisten Ländern der EU können Ärztinnen und Ärzte Abtreibungen aus Gewissensgründen verweigern. Vor fünf Jahren hat der Europarat nach einer hitzigen Debatte entschieden, dass die Gewissensfreiheit einer Ärztin oder eines Arztes Vorrang hat vor dem Recht der Frauen auf eine Abtreibung. Ausser Italien führt kaum ein Land eine Statistik über die Auswirkungen. Keine Gewissensklausel für Ärztinnen und Ärzte gibt es laut dem «Guardian» in Bulgarien, Finnland, Schweden und der Tschechischen Republik.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine