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Pressekonferenz im Weissen Haus mit akkreditierten Journalistinnen und Journalisten. © whgov

Stimmen von Journalistinnen ignoriert

fs /  Twitter funktioniert im politischen Journalismus als männerdominierte Echokammer: Journalisten haben das grössere Publikum und verstärken die Stimmen ihrer Kollegen.

Zu diesem Schluss kommt eine Studie der US-Universität Illinois, welche die Fachzeitschrift «International Journal of Press/Politics» veröffentlicht hat. Das Forschungsteam analysierte dafür während eines Monats 2292 Twitter-Accounts von Journalistinnen und Journalisten, die für die Berichterstattung beim US-Parlament in Washington akkreditiert sind.

Journalisten ignorieren Journalistinnen
Einige Ergebnisse:

  • Twitter-Accounts: 43 Prozent der analysierten Accounts gehören Journalistinnen und 57 Prozent Journalisten.
  • Tweets und Retweets: Überdurchschnittlich viele Originaltweets stammen von Männern (fast 70 Prozent). Und 92 Prozent der Journalisten reagieren nur auf Tweets von männlichen Kollegen. Journalistinnen finden also bei ihren Berufskollegen kaum Gehör. Zudem leiten Männer vor allem Tweets von Männern an ihre Follower weiter (74 Prozent der Retweets). Journalistinnen antworten zwar auch öfter Berufskolleginnen, allerdings gehen ihre Antworten immerhin zu 28 Prozent an Berufskollegen. Und von ihren Retweets profitieren hauptsächlich Männer (60 Prozent).

«Toxische Plattform»
Die geringeren Twitter-Aktivitäten von Journalistinnen führt Medienwissenschaftlerin Nikki Usher, Hauptautorin der Studie, unter anderem darauf zurück, dass Frauen im Büro und zu Hause mehr «emotionale Arbeit» leisten als Männer. Sie hätten deshalb schlicht weniger Zeit für Aktivitäten in den sozialen Medien. Twitter sei zudem für Frauen eine toxische Plattform. Der harmloseste Tweet könne schwerste Belästigungen und Drohungen zur Folge haben.

Journalisten stärken sich gegenseitig
Die Twitter-Kommentare der akkreditierten Journalistinnen und Journalisten beeinflussen die politische Berichterstattung generell, sagt Usher. Journalisten stärken sich mit Retweets gegenseitig. Damit finden sie mehr Gehör und werden eher als Experten wahrgenommen als Journalistinnen. «Das zeigt, wer und was die News diktiert.» Usher warnt, die von Männern geprägte Debatte auf Twitter könne dazu führen, dass die Stimmen von Journalistinnen in «Gender Ecken» verdrängt werden. Laut Usher sind sich Journalisten zu wenig bewusst, was ihre Twitter-Aktivitäten für Folgen haben. «Wenn es ihnen wichtig ist, welche Stimmen sie verstärken, können sie etwas verändern.» Sie habe leider nur zwei Anfragen von Journalisten erhalten, welche sich für die Auswertung ihrer Twitteraktivitäten interessieren, sagte Usher gegenüber «Atlantic». «Ich hatte gehofft, mehr solcher Anfragen zu erhalten.»


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