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Auszug aus dem neuen Sprachleitfaden der Stadt Lübeck. © HL

Doppelpunkt ersetzt Genderstern* und Binnen-I

fs /  Die Stadt Lübeck will diskriminierungsfrei kommunizieren und «Politiker:in» schreiben. Konservative rufen Stadtangestellte auf, dagegen zu klagen.

In Deutschland hat die Stadt Lübeck kürzlich den «Leitfaden für gendersensible Sprache bei der Hansestadt Lübeck» veröffentlicht. Dieser schreibt den Doppelpunkt zwischen der maskulinen und der femininen Endung vor. Er ersetzt andere Schreibweisen wie Binnen-I, Genderstern* und trennende Striche: «Politiker:in» statt «PolitikerIn» oder «Politiker*in». Der Doppelpunkt sei gut verständlich und störe den Lesefluss nicht, sagt die städtische Gleichstellungsbeauftragte Elke Sasse.

Diskriminierungsfrei kommunizieren
Der Leitfaden gilt für alle Publikationen und den gesamten Schriftverkehr der Stadtverwaltung. Dazu gehören beispielsweise E-Mails, Briefe, Drucksachen, Rechtstexte und Präsentationen. Laut Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) will die Stadt alle Menschen ansprechen: Frauen, Männer und jene, die sich nicht als Mann oder Frau beschrieben. Eine tolerante Stadt müsse diskriminierungsfrei kommunizieren. Seit Anfang 2019 anerkennt Deutschland im Personenstandsregister offiziell das dritte Geschlecht.

Aufruf zu Klagen
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) wirft Lübeck vor, Rechtschreibregeln zu missachten und «sich die Welt zu machen, wie sie ihr gefällt». Der Doppelpunkt sei ein Satzzeichen und hindere, wie der Genderstern oder das Binnen-I, den Lesefluss. Er stifte mehr Verwirrung, als dass er Klarheit schaffe. Der Leitfaden verstosse gegen geltendes Recht und schaffe unnötige Gräben zwischen den Geschlechtern. «Der Dienstherr missbraucht hier in eklatanter Weise sein Weisungsrecht.» Der VDS hat Stadtangestellten Prozesskostenhilfe angeboten, falls sie Nachteile erleiden, wenn sie sich nicht an die neuen Vorgaben halten wollen. Bürgermeister Lindenau sprach laut der «Süddeutschen Zeitung» von einer «vollkommen überzogenen Reaktion». Eine Prozesskostenhilfe brauche es nicht, da niemand mit personalrechtlichen Folgen rechnen müsse, wenn er den Doppelpunkt nicht verwendet.

Gegen «Gendersprech»
Der VDS bietet nicht zum ersten Mal Prozesskostenhilfe an. Im letzten Herbst rief er Studierende dazu auf, ihre Universität oder Hochschule wegen «Gendersprechs» zu verklagen. Mit Flyern sucht er nach «mutigen Studenten», um gegen «rechtswidrige sprachpolizeiliche Genderregeln ihrer Universitäten vorzugehen». Geschäftsführer Holger Klatte sagte damals der «Süddeutschen Zeitung», der Verein wolle rechtlich klären lassen, ob Dozenten eine solche Kunstsprache zur Pflicht für ihre Studenten machen können. Ob es überhaupt Dozenten gibt, die eine wissenschaftliche Arbeit nur wegen einer nicht gendergerechten Schreibweise schlechter benoten, wird sich erst zeigen, falls sich Betroffene beim VDS melden.

Konservative inszenieren sich als Opfer
Selbsternannte Sprachbewahrer kritisieren den Gebrauch diskriminierungsfreier Sprache seit langem. Mit Begriffen wie «Zensur», «Terror der politischen Korrektheit» und «Sprachpolizei» inszenieren sie sich als Opfer eines angeblich feministischen Sprachregimes und diffamieren diskriminierungsfreie Sprache.
Bisher empfahlen andere Städte in Deutschland das Binnen-I. Hannover entschied sich letztes Jahr für den Genderstern, der vor allem an Hochschulen verwendet wird.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat Ende 2018 beschlossen, vorerst keine Empfehlung zum Genderstern abzugeben und die gesellschaftliche «Erprobungsphase» verschiedener geschlechtergerechter Schreibweisen abzuwarten.


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