«Einfacher Schritt zu mehr Gleichberechtigung»
Die Tageszeitung «Aamulehti» will Berufsbezeichnungen geschlechtsneutral formulieren und auch auf den Zusatz «weiblich» verzichten. Letzteres betrifft unter anderem die Sportberichterstattung, wo oft von «weiblichen» Athleten die Rede ist. Die Ankündigung löste eine Flut von unterschiedlichen Reaktionen aus, berichtete der öffentlich-rechtliche Radio- und TV-Sender «Yleisradio».
«Sprache bestimmt das Denken»
Die Zeitung «Aamulehti» begründete den Entscheid damit, dass männliche Berufsbezeichnungen Frauen diskriminieren: «Vielen mag das unbedeutend erscheinen und die Kritik ist verständlich, denn die Probleme beim Thema Gleichberechtigung betreffen mehr als nur ein paar Berufstitel. Wir wollen aber dennoch auf das Problem aufmerksam machen, denn Wandel besteht aus verschiedenen Elementen. Sprache ist ein Mittel, die Welt zu ordnen. Sie bestimmt das Denken und steuert menschliche Auffassungen auch in unbeabsichtigte Richtungen. Zeitungsartikel dürfen nicht die Vorstellung davon verstärken, dass ein Beruf oder eine Tätigkeit besonders männlich oder weiblich ist.»
Vorbild
Berufskolleginnen und -kollegen äusserten sich mehrheitlich positiv und sprachen von einer vorbildhaften Sprachregelung. Die auflagenstärkste Tageszeitung «Helsingin Sanomat» schrieb, ein wesentlicher Grund für die geschlechtsspezifische Lohnkluft sei, dass der finnische Arbeitsmarkt vergleichsweise stark in männliche und weibliche Branchen unterteilt sei. Dazu trage auch die Sprache bei. «Die Vorstellung von geschlechtstypischen Berufen reift in der Schule, zu Hause und auch durch die Sprache. Wenn es gelingt, durch Anpassung der Berufsbezeichnungen an die heutige Zeit auch die Einstellungen ein wenig zu verändern, so wäre dies ein einfacher Schritt zu mehr Gleichberechtigung.»
«Aprilscherz»
In der Politik sind die Reaktionen gespalten. Die rechtsnationale Maria Lohela, die in diesem Jahr Präsidentin des finnischen Parlamentes ist, begrüsste die Umstellung. Man müsse mit der Zeit gehen. Hingegen sprach ihr Fraktionskollege und finnische Aussenminister Timo Soini von einem «Aprilscherz»: «Wenn ich das richtig verstanden habe, hat ’Aamulehti’ jetzt eine Sprachregelung, in der ein Mann alles ausser ein Mann ist.»
Sprache beeinflusst Berufsbilder
Geschlechtergerechte Sprache kann die Wirkung von Rollenklischees im beruflichen Bereich abbauen. Zu diesem Schluss kam vor zwei Jahren eine Studie der Freien Universität Berlin. Danach beeinflusst Sprache, wie Kinder Berufe wahrnehmen. Sie trauen sich Berufe eher zu, wenn diese auch in weiblicher Form genannt werden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine