Empfehlung für männliche Formulierung gekippt
Ein Komitee des Normungsinstituts «Austrian Standards» hatte in den «Richtlinien zur Textgestaltung» für schriftliche Texte vorgeschlagen, beide Geschlechter getrennt und vollständig anzuführen (Schülerinnen und Schüler). Alternativ empfahl es die «eingeschlechtliche Formulierung». In diesem Fall müsse eine Generalklausel klarstellen, dass Frauen in der männlichen Formulierung mitgemeint sind. Das Binnen-I (SchülerInnen) und der Schrägstrich im Wortinneren (Schüler/-innen) seien aus Gründen der Verständlichkeit nicht empfehlenswert.
Monatelange Kontroverse
Mit den Richtlinien gab es erstmals offizielle Vorschläge für das geschlechtergerechte Formulieren. Sie lösten eine monatelange Kontroverse aus. 800 Sprachfachleute unterstützten gemeinsam den Vorschlag. Die meisten anderen Stellungnahmen hingegen sprachen sich für eine progressivere Sprachregelung aus. Das zuständige Komitee verteidigte seinen Vorschlag und warf den Gegnerinnen vor, «zweifelhafte politische Ziele» durchsetzen zu wollen. Darauf löste «Austrian Standards» das Komitee auf. Begründung: «Schwerwiegende Verstösse gegen Grundregeln der Normungsarbeit.» Die Bereitschaft zum Dialog und zur «ernsthaften Auseinandersetzung mit den Meinungen anderer» habe gefehlt.
Kein Konsens möglich
Im Oktober hat «Austrian Standards» ein offenes «Dialogforum» zum Thema durchgeführt. Danach entschied es, keine Regeln für das geschlechtergerechte Formulieren aufzustellen. Aufgrund der stark divergierenden Meinungen sei kein gesellschaftlicher Konsens möglich. Ein solcher sei jedoch Voraussetzung für eine Normierung, sagte Elisabeth Stampfl-Blaha, Direktorin von «Austrian Standards». Die Regeln für den Schriftverkehr werden nun ohne Gender-Aspekt überarbeitet.
Empfehlungen des Frauenministeriums
Das österreichische Frauenministerium empfiehlt im Leitfaden «Geschlechtergerechter Sprachgebrauch» unter anderem Doppelformen (Schülerin und Schüler), geschlechtsneutrale Ausdrücke, unpersönliche Formulierungen und mit Einschränkungen Schrägstrich und Binnen-I, «um zu signalisieren, dass die Personenbezeichnung auf Frauen und Männer Bezug nimmt». Sprache schaffe Wirklichkeit, sagte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Weibliche Formen unerwähnt zu lassen und Frauen damit auszublenden sei ein «völlig falsches Zeichen». Die Frauenministerin hat im Sommer Morddrohungen erhalten, nachdem sie auf ihrer Facebook-Seite den Volksmusiksänger Andreas Gabalier darauf aufmerksam gemacht hatte, dass in der österreichischen Nationalhymne seit zwei Jahren nicht nur die «Söhne», sondern die «Töchter und Söhne» des Landes besungen werden.
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keine