«Frauen werden totgeschwiegen»
Die heute 82-Jährige Marlies Krämer beanstandet, dass die Sparkasse Saarbrücken sie in unpersönlichen Formularen und Vordrucken mit «Kunde», «Kontoinhaber», «Einzahler» oder «Sparer» anspricht. Es sei ihr Recht, als Frau in Sprache und Schrift erkennbar zu sein.
Die Bank argumentiert, eine weibliche Ansprache in Formularen sei zu aufwendig. Zudem verwende auch der Gesetzgeber das generische Maskulinum, das geschlechtsneutral verstanden werde. Banken müssten nicht korrekter sein als der Gesetzgeber.
«Sprachgebrauch des Gesetzgebers prägend»
Der Bundesgerichtshof (BGH), das oberste Zivilgericht, gab der Bank vor zwei Jahren recht. Die männliche Anrede verstosse weder gegen das Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz (Verfassung) noch gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die Klägerin werde in persönlichen Schreiben der Bank als Frau angesprochen und in unpersönlichen Formularen durch die Verwendung generisch maskuliner Personenbezeichnungen nicht als Frau diskriminiert. Das generische Maskulinum werde auch in zahlreichen geltenden Gesetzen verwendet, insbesondere im Grundgesetz (Verfassung). «Dieser Sprachgebrauch des Gesetzgebers ist zugleich prägend wie kennzeichnend für den allgemeinen Sprachgebrauch und das sich daraus ergebende Sprachverständnis.» Das Saarländische Gleichstellungsgesetz verpflichte zwar Dienststellen zu gerechter Sprache, so der BGH weiter. Es begründe aber kein individuell einklagbares Recht auf gerechte Sprache.
Kein Entscheid in der Sache
Gegen dieses Urteil reichte Marlies Krämer Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Eine Kammer von drei männlichen Richtern entschied kürzlich, die Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Krämer habe zu wenig begründet, warum sie als Einzelperson einen Anspruch auf weibliche Ansprache habe. Der BGH habe einen solchen Anspruch verneint. Die Bundesverfassungsrichter bemängeln weiter, dass die Klägerin auf das «gewichtige» Argument der Vorinstanz, dass sogar das Grundgesetz keine geschlechtergerechte Sprache verwendet, nicht eingehe.
Marlies Krämer will nun ihre Klage dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorlegen. Die sprachliche Diskriminierung werte Frauen ab, sagte sie dem Radiosender SR 3. «Frauen werden mit dem generischen Maskulinum totgeschwiegen.»
Sprache der Gesetze ändern
Der Deutsche Juristinnenbund sieht den Gesetzgeber in der Pflicht. Die Rechtssprache sei geprägt von Zeiten, in denen Frauen keine gleichen Rechte hatten oder als Rechtssubjekte gar nicht vorkamen. Das Grundgesetz und viele andere Gesetze seien männlich formuliert und lieferten nun die rechtliche Argumentation, am generischen Maskulinum festzuhalten, kritisieren die Juristinnen. «Es ist an der Zeit, dies zu ändern und das historische Unrecht nicht in der Sprache zu perpetuieren.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine