Aufstand der Frauen gegen Fundamentalisten
Rachel Azaria von der Mitte-Partei Kulanu kandidierte letzten Sommer für das Bürgermeisteramt in Jerusalem. Sie machte unter anderem auf Stadtbussen Werbung. Doch zwei Tage nach Beginn ihrer Kampagne hatten Ultraorthodoxe sämtliche Plakate mit dem Gesicht von Rachel Azaria von den Bussen gerissen. Die Werbefirma weigerte sich, Azaria für die zerstörten Plakate zu entschädigen oder diese durch neue Plakate zu ersetzen. Das sei sinnlos. Azaria verklagte die Firma. Aussergerichtlich einigten sich die Parteien auf eine neue Kampagne, berichten israelische Medien. Anfang März fuhren nun zwei Wochen lang 50 Busse mit neuen Plakaten durch Jerusalem, allerdings nicht durch ultraorthodoxe Viertel. Die Plakate zeigten Frauenporträts und Aussagen, die alle mit «Ich habe einen Traum» beginnen.
«Wer die Welt verändern will, muss kämpfen»
Im Vorfeld der Parlamentswahl vom 9. April kritisieren zahlreiche Politikerinnen, dass Ultraorthodoxe ihre Plakate zerstören. Die frühere Aussenministerin Zipi Livni rief in einem Video zum Protest auf, berichtet die «Süddeutsche Zeitung»: «Es geht nicht um mein Gesicht, es geht darum, die Hälfte der Bevölkerung unsichtbar zu machen.» Rachel Azaria wollte bereits vor zehn Jahren Plakate auf Busse kleben lassen, als sie für einen Sitz im Jerusalemer Stadtparlament kandidierte. Sie musste auf dem Rechtsweg dafür kämpfen, dass die Plakate aufgeklebt werden dürfen. Azaria: «Wer die Welt verändern will, muss kämpfen.» Dieser Kampf richtet sich nicht nur gegen Ultraorthodoxe, sondern auch gegen Unternehmen, welche die Fundamentalisten als Kunden nicht verlieren wollen.
Klage wegen Katalog ohne Frauen
Der schwedische Möbel-Konzern Ikea beispielsweise veröffentlichte vor zwei Jahren in Israel für Ultraorthodoxe einen Katalog ohne Frauen. Nach einem Proteststurm entschuldigte sich Ikea und veröffentlichte später einen Katalog ohne Menschen. Nun hat das Israelische Religiöse Aktionszentrum (IRAC) im Namen der orthodoxen Jüdin Hannah Katzman Klage gegen Ikea eingereicht und Schadenersatz in der Höhe von rund 3,6 Millionen Euro gefordert (4 Millionen Franken). Frauen seien durch den Katalog beleidigt, verärgert und traumatisiert worden, heisst es in der Begründung. Das progressiv-jüdische Aktionszentrum engagiert sich gegen religiöse Diskriminierung.
Rabiate Ultraorthodoxe
Wie gross der Widerstand gegen Frauenrechte ist, zeigt der jahrzehntelange Kampf der «Frauen der Klagemauer», die gleichberechtigten Zugang zur Klagemauer in Jerusalem fordern. Die Fundamentalisten leisten bis heute handgreiflich Widerstand, trotz vielen Protestaktionen und Grundsatzurteilen zugunsten der Frauen.
Frauen unsichtbar machen
Etwa 10 Prozent der israelischen Bevölkerung sind fundamentalistische Juden. Sie vertreten eine strikte Geschlechtertrennung. Die Abbildung von Frauen in der Öffentlichkeit ist verpönt. Fundamentalistische Medien veröffentlichen deshalb grundsätzlich nur Bilder ohne Frauen und entfernen sogar Ministerinnen aus Fotos. Ultraorthodoxe drohen Unternehmen mit Boykott, falls sie Werbeplakate und Kataloge mit Frauen veröffentlichen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
keine